Der entpanschte Wein

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Ein Küberl Wasser ist schnell ins Fassel geschüttet. Nein, ich verbessere mich: War, war, war. Denn die Zeiten des gepanschten Weins sind vorbei. Einst war der gepanschte Wein ein Problem. In Zeiten, in denen sich nur noch Qualität auf dem Markt behaupten kann, muss sich der Weinfreund aber auf das Gegenteil einstellen. Denn der entpanschte Wein hat längst still und leise seinen Siegeszug angetreten. Oder wie soll man es nennen, wenn einem allzu dünnen, einen allzu schlechten Preis versprechenden Rebensaft ganz einfach per Hightech-Verfahren das allzu viele Wasser entzogen wird? Wenn man das Strecken des Weins mit Wasser Panschen nennt, bietet sich für das Gegenteil, das Entwässern des Mosts, wohl kein besseres Wort als Entpanschen an.

Das Verfahren nahm vor etwa zehn Jahren von Frankreich seinen Ausgang. Das Gerät heißt Konzentrator, seine Wirkung beruht auf dem Effekt der Umkehrosmose. Voraussetzung war die Entwicklung von so feinporigen Membranen, dass sie nur Wasser- und Alkoholmoleküle durchlassen, aber Alkohol gibt es im frischgepressten Most ja nur in verschwindend kleinen Mengen. Bei normalem Druck würden die Wassermoleküle in den Most hinein - statt herauswandern, doch unter den im Konzentrator auf der Mostseite erzeugten 90 Bar Druck nehmen sie den umgekehrten Weg.

Einst hätte man einen allzu dünnen Most stundenlang einkochen müssen, um ihm Wasser zu entziehen. Heute würden sich auch noch die Vakuumverdampfung und die Kryoextraktion (Ausfrieren von Wasser) anbieten, aber diese Verfahren sind erstens (noch) nicht erlaubt und zweitens teurer als die Umkehrosmose, außerdem gibt es immer kleinere Konzentratoren, die sich immer mehr, immer kleinere Produzenten leisten können.

Wein ein Naturprodukt? Hat sich was. Dem Vernehmen nach vergärt heute kaum ein großes Bordeaux-Weingut seinen Most mehr so wässerig, wie er aus der Presse kommt. Bei einer Verkostung im Keller des renommierten badischen Weingutes Johner im vergangenen Jahr schmeckte, hört man, der Inhalt jedes Fässchens so individuell, wie es sich gehört. Nur der Inhalt eines Barrique fiel ab, weniger komplex sei er, fanden die Gäste, das sei die Kontrollprobe, meinte Johner, das eine Fass, dessen Inhalt nicht durch den Konzentrator gelaufen war. Seit kurzem ist das Gerät übrigens auch in Österreich frei verwendbar.

Nun scheiden sich wohl bald auch hier die Geister. Es sei doch schön, meinen die einen, wenn erschwingliche heimische Gewächse fast so gut schmecken wie ein großer Bordeaux vor der Einführung der Entwässerungskur. Und wenn es auch in verregneten Jahren Spitzenweine gibt. Dabei werden die Weine aber immer verwechselbarer, meinen mit gutem Grund die anderen; wenigstens sollte auf dem Etikett stehen müssen, was mit dem Flascheninhalt gemacht worden sei. Die Most-Aufzuckerung sei im Bordelais eine Selbstverständlichkeit und stehe auch nicht drauf, erwidern die einen. Worauf die anderen wissen wollen, ob es tatsächlich Eichenholzgestelle gibt, die man in die großen Gärtanks stellt, damit der Wein die typische Holznote bekommt. Worauf die einen erwidern, besser als Panschen sei auf jeden Fall Entpanschen. Auf diesem kleinen Nenner könnten wir uns treffen.

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