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Richard Rohr, amerikanischer Franziskaner und Bestsellerautor, initiierte eine christliche "Männerbefreiungsbewegung". Dieser Tage ist er in Österreich.

Die Five Points Road ist eine staubige Straße, in einem Viertel von Albuquerque, auf der nachts mehrmals Polizeiwägen mit Sirenengeheul zum Einsatz rasen. Am Morgen, noch bevor die trocken-heiße Luft den Teer auf dem rissigen Asphalt verflüssigt, kommt ein Mann die Straße herauf. Er trägt ein braunes T-Shirt und hat einen verschwitzten Schlapphut auf seinem Kopf. Nichts deutet darauf hin, dass hier ein Priester seines Weges geht. Richard Rohr kommt von seinem morgendlichen Einsatz als Gefängnisseelsorger und peilt einen kleinen modernen Bau an. Darin ist das von ihm gegründete "Center for Action and Contemplation" angesiedelt. Das CAC ist ein christliches Seminarzentrum, dessen Ziel es ist, spirituelle und gesellschaftspolitische Neuaufbrüche von Menschen zu initiieren und zu begleiten. Mystik bedeutet hier: Engagement, zeitgemäßer, intelligenter und kompromissloser Welteinsatz.

1982 ging ein Foto eines Franziskaners in Kutte und Handschellen durch die Presse. Es war Richard Rohr, der gemeinsam mit 242 anderen im Kapitol von Washington verhaftet wurde. Ihr "Vergehen" war die Abhaltung einer Mahn- und Gebetswoche gegen die atomare Rüstung und die Unterstützung totalitärer Regimes in Lateinamerika durch die USA. Für viele war der 1943 geborene Rohr damals endgültig ins "linke" Lager abgerutscht. Für ihn selbst war es lediglich die letzte Konsequenz aktiver Kontemplation und franziskanischer Gewaltlosigkeit in einer Welt, die - dominiert von einer pervertierten hegemonialen Männlichkeit - in den Abgrund zu schlittern droht. Dieser Welt stellt Richard Rohr die Macht des Wortes entgegen, das aus der Mitte des Evangeliums stammt.

Es sind unorthodox-erfrischende und subversiv-befreiende Worte, wie sie nur entstehen, wenn sie durch konkrete Lebenserfahrung gesättigt und durch scharfe Weltdeutung geläutert sind. Worte, die zusammenfügen, was in der Geschichte der christlichen Kirchen meist getrennt war: Himmel und Erde, Gott und Welt, das Säkulare und das Sakrale, Politik und Glaube, Fleisch und Geist. "Du hast die Gabe Mund Gottes zu sein", hat ihm sein Freund Joseph Bernardin, der 1996 verstorbene Kardinal von Chicago, bedeutet, als Richard Rohr wieder einmal von fundamentalistischen Christen als "Häretiker" denunziert worden war.

Mittlerweile ist Rohr als eine zentrale Erneuerungsfigur zeitgemäßer christlicher Spiritualität weit über die USA hinaus bekanntgeworden. In seinen Reden, Tonbandmitschnitten und Büchern wird ein erdiger geistlicher Eros spürbar: "Der nackte Gott - Plädoyer für ein Christentum aus Fleisch und Blut", "Der wilde Mann - Geistliche Reden zu Männerbefreiung", "Das Enneagramm", "Masken des Maskulinen", "Hiobs Botschaft" sind nur einige der Bestseller, die ihren Weg in den deutschen Sprachraum gefunden haben.

Rohr gilt vor allem als Vordenker und Initiator einer zahlenmäßig noch kleinen, aber wirkmächtigen christlichen Männerbefreiungsbewegung. Diese versteht sich als eigenständige Suchbewegung nach Formen authentischer Männlichkeit und als konstruktive Reaktion auf die Defizite, die pionierhaft von der feministischen Bewegung aufgezeigt worden waren.

Ein Arbeitsprogramm im CAC heißt demnach auch M.A.L.E. (Männer als Lernende und Ältere). Es entstand aus den Initiationsseminaren Rohrs, die weltweit bereits 2.000 Männer durchlaufen haben. Viele dieser Männer haben sich verpflichtet, in ihrem Lebensumfeld von Arbeit, Familie, Gemeinde und Vereinen andere Männer, ältere wie noch ganz junge, auf ihrem Weg zu einem authentischen und geistlichen Mannsein zu unterstützen. Dies geschieht aus der tiefen Überzeugung heraus, dass spirituell in sich gegründete Männer ganz automatisch mehr Verantwortung als Mann, Partner, Vater und Mentor übernehmen, bereit werden für geschlechtergerechtes Handeln und dadurch auch zu mehr Lebensqualität finden.

Richard Rohr fungiert für viele dieser Männer als ein "Prophet" im ursprünglich biblischen Sinn. Dort waren die Propheten die "Hervorsager" dessen, was wirklich ist, die scharfen Analytiker einer verdrängten und abgespaltenen Vergangenheit und die - je nachdem warnend oder ermutigend auftretenden - Visionäre einer möglichen Zukunft.

Richard Rohr selbst ist da bescheidener. Er ist einer, der selbst vorzeigt, wie man Rollen, Besitz, Macht, Status, Ansehen immer wieder loslassen muss, insofern sie die Wandlung behindern, authentisch Mensch zu werden als Mann. Das spüren andere und das macht seine Faszination als spiritueller Lehrer aus. "Wer loslässt, wird gehalten" so lautet auch ein gleichnamiger Buchtitel Rohrs. Und das ist nicht sanft-esoterisch gemeint, sondern als wahrhaftige Konfrontation mit sich selbst. Es erfordert klare Entschiedenheit und radikales Vertrauen in einen alles tragenden Grund.

Der Autor ist Religionsjournalist beim ORF-Hörfunk.

TIPPS: Richard Rohr in St. Pölten

* Männerseminar: Vom Wilden Mann zum Weisen Mann, 10. bis 12. Sept., Burg Plankenstein

* Vortrag: Adams Rückkehr - die fünf Verheißungen männlicher Initiation, 13. Sept., 20 Uhr, VAZ St. Pölten

Infos: www.feuersalamander.at

* LOGOS - Theologie und Leben: "Wenn Adam zurückkehrt", Samstag, 27. Sept., 19.05, Ö1

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