Ein katholischer Profi für die Grünen

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Anderswo ist ein scharfer Kulturkampf zwischen Politik und katholischer Kirche ausgebrochen. In den USA bekommt etwa das Eintreten für Barack Obamas Gesundheitsreform katholischen Politikern nicht gut: So schloss ein US-Bischof den Kongressabgeordneten Patrick Kennedy, den Sohn des kürzlich verstorbenen Patriarchen des Kennedy-Clans, Ted Kennedy, von der Kommunion aus, weil er durch seine Unterstützung der Gesundheitsreformpläne in der Abtreibungsfrage massiv gegen die katholische Lehre verstoße.

Auch wenn die Haltung der österreichischen Grünen etwa zur Abtreibung in analoger Weise nicht im Einklang mit den offiziellen katholischen Positionen steht, ist kaum zu befürchten, dass Österreichs Bischöfe Stefan Wallner den Scheidebrief hinknallen, wenn der praktizierende Katholik am 4. Dezember vom Erweiterten Bundesvorstand der Grünen zum neuen Bundesgeschäftsführer der Partei gewählt werden wird. Im Gegenteil: Caritas-Präsident Franz Küberl, unter dem Wallner seit 1999 als Generalsekretär der „sozialen Reparaturwerkstatt“ (© Wallner) arbeitete, meinte gar: „Als Demokrat und als Christ freue ich mich, wenn sozial engagierte Menschen politische Verantwortung übernehmen.“

Wahrnehmung der katholischen Aktiven

Ein Signal der Grünen an die Bürgerlichen sei Wallners Designierung, so der Tenor der politischen Kommentare landauf landab. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Personalie aber um die längst fällige Wahrnehmung des katholischen Aktiv-Segments durch die Grünen: Denn trotz der oben angesprochenen Inkompatibilitäten gibt es zwischen „grün“ und „katholisch engagiert“ viele Berührungspunkte – Stichwort: Einsatz für Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung, Eintreten für Flüchtlinge und Migranten etc. Seitdem der Theologe Severin Renoldner, der von 1991 bis 1995 für die Grünen im Parlament gesessen war, aus der Politik ausschied, gab es in der grünen Führungsebene kein „katholisches Gesicht“ mehr.

Außerdem haben sich die Grünen mit Stefan Wallner einen politischen Profi geangelt, der soziales Gewissen mit den Notwendigkeiten der straffen Organisation einer Non-Profit-Organisation und sozialpolitischer Kompetenz samt dem entsprechenden Lobbying zu verbinden verstand. Man darf gespannt sein, ob ein „Macher“ wie Stefan Wallner bei den Grünen ebenso erfolgreich reüssieren kann wie bei der Caritas: zweifelsohne eine spannende Herausforderung für den 38-jährigen „Patchwork“-Vater von drei Kindern (15 und 12 Jahre sowie 5 Monate).

Dass Wallner bei den Grünen landen würde, war alles andere als ausgemacht: Von 1995 bis 1998 arbeitete der studierte Politikwissenschafter als Projekt-Mitarbeiter der ÖVP-nahen Julius-Raab-Stiftung, die damals als – liberale – Kaderschmiede der konservativen Partei galt.

Katholische Sozialisation erfuhr Wallner in den Katholischen Hochschulgemeinden Graz und Wien sowie bei der Katholischen Hochschuljugend, deren ehrenamtlicher Generalsekretär er 1992/93 war. Aus dem Umfeld dieses am II. Vatikanum ausgerichteten Katholizismus entstammen einige der bürgerlichen Polit-Akteure der letzten Jahrzehnte – etwa Erhard Busek, Josef Riegler oder Franz Fischler.

Nun fischt auch die grüne Partei in diesen katholischen Gewässern – und setzt nicht nur ein neues Signal, sondern holt mit Stefan Wallner den Exponenten eines ihrer Wählersegmente in die Parteispitze herein.

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