"Es gibt zu wenig Appetit auf Vielfalt“

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Zaheer Ahmad ist Polizist in London und Muslim. Wie er diese Kombination nützt und warum er dafür Diversity-Preise bekommt.

Geboren in Pakistan, aufgewachsen in Dubai, seit 15 Jahren in Großbritannien: Die internationale Biografie von Zaheer Ahmad ist im multikulturellen London nicht außergewöhnlich. Sein Engagement ist es schon: Um Diskriminierungen in den eigenen Reihen entgegen zu wirken und die Kommunikation mit muslimischstämmigen Briten zu verbessern, gründete der 38-Jährige den Verband für Muslimische Polizisten. Die nationale Plattform hat mittlerweile 2.500 Mitglieder. Für seinen Einsatz, eine multikulturelle Gesellschaft näher zusammen zu bringen, wurde er beim renommierten "European Diversity Award“ im letzten September zum "Hero of the Year“ gewählt. Diese Woche kommt er nach Wien. Er spricht beim European Business & Diversity Congress und tauscht sich mit Beamten des Innenministeriums aus. Mit der FURCHE sprach Zaheer Ahmad schon vorab.

Die Furche: Wieso braucht es einen eigenen Verband für Muslimische Polizisten?

Zaheer Ahmad: Als ich vor zehn Jahren zur Polizei gegangen bin, habe ich schnell bemerkt, dass es Bedarf gibt. Ich sah interne Schwierigkeiten, die Bedürfnisse von muslimischen Mitarbeitern zu verstehen. Etwa, dass Frauen im Dienst ein Kopftuch tragen dürfen, oder große Feiertage arbeitsfrei sind. Und ich hatte den Eindruck, dass bei muslimischen Polizeibediensteten viel Potenzial vergeben wird. Sie können nämlich einen größeren Beitrag leisten, wenn sie sich um Dinge kümmern, die über die normalen Polizeiaufgaben hinausgehen.

Die Furche: Nämlich?

Ahmad: Wir können die Kluft schließen, die es zwischen der muslimischen Bevölkerung und der Polizei gibt. Das größte Problem ist mangelndes Vertrauen. Die muslimische Bevölkerung hat den Eindruck, dass die Polizei ihre Anliegen nicht ernst nimmt. Auf der anderen Seite beobachten wir ein großes Ungleichgewicht bei Polizeikontakten. Menschen mit asiatischem Hintergrund werden 42-mal häufiger am Flughafen aufgehalten wie Weiße. Das hilft nicht gerade dabei, das Vertrauen in die Polizei zu stärken.

Die Furche: Wie lässt sich das aufbrechen?

Ahmad: Probleme entstehen, wenn mit zweierlei Maß gemessen wird. Das versuchen wir erstens bewusst zu machen und zweitens abzuschaffen. Der Vorteil ist, dass wir sowohl die Bedürfnisse der Polizisten als auch die der muslimischen Bevölkerung kennen. Vor vier Jahren haben wir innerhalb der Polizei die Ungleichbehandlung bei Polizeikontrollen thematisiert. Daraufhin wurde ein eigener Ausschuss eingerichtet. Seither hat sich nicht nur das Ungleichgewicht reduziert, sondern auch das Bewusstsein der Polizisten für ihre Handlungen und die Auswirkungen, die sie auf die muslimische Bevölkerung haben, hat sich verändert. Wir treten für größere Transparenz und Verbindlichkeit in der Polizei ein. Und das wirkt in beide Richtungen.

Die Furche: Wie viel Platz gibt es in einer Organisation wie der Polizei für Vielfalt?

Ahmad: Dafür müsste es viel Raum geben, aber leider bemerke ich nur wenig Appetit darauf, Vielfalt und ihre Vorteile bereitwillig anzunehmen. Wenn Finanzen gekürzt werden, wie es derzeit der Fall ist, ist das ers-te, das zugesperrt wird, das Diversity Departement. Das ist die falsche Botschaft.

Die Furche: Wie lässt sich das ändern?

Ahmad: Es gibt keine Wunderwaffe. Aber klar ist, dass diese Aufgabe weit über unser Ressort hinausgeht. Wenn Menschen etwa Diskriminierung im Bildungsbereich erfahren, ziehen sie daraus Schlüsse auf andere staatlichen Institutionen. Da geht es um die Kernfragen einer multikulturellen Gesellschaft. Gesetzes- und Verhaltensänderungen müssen auch mit einem anderen ökonomischen Klima einher gehen. Wir sind das siebentreichste Land der Welt, trotzdem leben 13 Millionen Menschen in Armut, davon 3,6 Millionen Kinder. Und Muslime sind deutlich häufiger von Armut betroffen als alle anderen Gruppen. Das muss man angehen, genau wie Gesundheits- und Bildungsfragen. Auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens müssen Initiativen wie unsere entstehen. Das geht bis hin zur Außenpolitik. Als Polizist darf ich darüber nicht sprechen, aber es hat Auswirkungen auf unsere Arbeit: Großbritannien will gerade, wie es in vielen europäischen Ländern Trend ist, die Einwanderung reduzieren. Darunter fallen auch ausländische Studenten. Nun wurden indische Studenten von der Begrenzung ausgenommen, Studenten aus Pakistan oder Bangladesch nicht. Nur so viel: Für unsere Aufgabe, das Vertrauen von Muslimen in den Staat zu stärken, ist das nicht gerade hilfreich.

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