Geschichten gehen nicht

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Walter Kliers literarische Feuilletons in Buchform sind voll hintersinniger Ironie.

Der Satz Karl Valentins "Ich war auch einmal jung, vielleicht jünger wie du." gibt als Motto am Beginn der Sammlung von Geschichten aus dem Leben des Tiroler Alpinisten, Literaturkritikers und Schriftstellers Walter Klier die Route vor, an die sich Leserinnen und Leser halten sollten. Die Lesereise durch die Geschichten aus einem etwa fünfzigjährigen Leben wird nie langweilig, ist durchzogen von Schalk und hintersinniger Ironie. Klier erzählt sprachlich souverän und hat eine Art Humor, die an Herbert Rosendorfer erinnert. Zum Glück sind die ausgewählten Erzählungen, die alle mit einer Ausnahme bereits vor der Buchausgabe publiziert waren, weder Versuche einem mittelalterlichen Mann sein Selbstvertrauen zurückzugeben und für neue Taten aufzurüsten, noch didaktische Predigten, die die Welt und vor allem uns Leser verbessern sollen. Es liegen vielmehr literarische Erfahrungsberichte vor, die chronologisch von der frühen Kindheit bis in die späten 90er Jahre reichen.

Gleich am Anfang steht die Titelgeschichte "Meine konspirative Kindheit". Walter Kliers Eltern "gehörten zum harten Kern des BAS, so die Abkürzung für Befreiungsausschuß Südtirol'", der im Juni 1961 um Bozen Hochspannungsmasten sprengte. Es handelt sich bei diesem sehr österreichischen Feuilleton um einen interessanten Text, der den Leser allerdings kritisch fragen lässt, ob hier Terrorismus verniedlicht oder lächerlich gemacht wird: "Einer hatte bei den Wildwestfilmen nicht richtig aufgepaßt und wußte nicht, daß man den Gewehrkolben gegen die Schulter pressen muß. Er hielt den Kolben gegen die Wange ... und der Rückstoß hätte ihm fast das Auge ausgeschlagen." Kann man so ironisch-gemütlich über Terrorismus schreiben?

Die "wahren Geschichten" erzählen von Erlebnissen im Kindergarten, in der Tanzschule, aus dem Studentenleben, mit Handwerkern, aus dem Alltag und immer wieder dem Literaturbetrieb. Darunter finden sich anekdotisch zugespitzte Erinnerungen an Heiner Müller und Sascha Anderson ebenso wie Einblicke in die turbulente Entstehungsgeschichte eines ORF-Films, Erfahrungen mit dem "Lieblingsbuchhändler" und dem weniger geliebten Verleger. Die schöne Überschrift "Wahre Abenteuer. Aus dem Leben der Ritter" steht über einem Abschnitt, der die "Zweigleisigkeit" Walter Kliers als Kletterer und Schriftsteller thematisiert. "Ich schrieb Führer' und ich schrieb richtige' Bücher. Mit den Führern verdiente ich Geld, mit den anderen nicht, die waren aber für den Nachruhm, deswegen konnte ich mit keinem von beiden aufhören."

Die Texte des Bandes fügen sich wunderbar zusammen und bilden in ihrer für diese Ausgabe neu bearbeiteten Form eine gelungene Einheit. So ist ein Buch entstanden, das sich gut in einem Zug durchlesen lässt, oder aber auch häppchenweise bekommt. Sicher erscheint, dass der fiktive Verleger in der "wahren" Geschichte über eben diesen mit seiner Behauptung "Geschichten gehen nicht" jedenfalls bei diesem Buch Walter Kliers nicht recht behält.

Meine konspirative Kindheit und andere wahre Geschichten

Von Walter Klier

Haymon Verlag, Innsbruck 2005

191 Seiten, geb., e 19,40

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