Hoffnung bringen, Gott begegnen

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Ein warmer Herbsttag liegt über Wien. Schwester Stefanie Strobel blickt von ihrem Balkon aus auf das Häusermeer des 18. und 9. Bezirks -aber nicht nur auf dieses. "Sehen Sie die Kirche?", fragt sie und deutet nach unten. "Diese gehörte bis vor einigen Jahren noch zu unserem Orden."

Auf Anhieb würde Sr. Stefanie Strobel nicht als Ordensschwester durchgehen: grauer Pulli und Jeans statt Schleier und Ordenstracht. Erst beim Gespräch erkennt man an ihr ein silbernes Kreuz um den Hals. "Dieses trage ich seit meinem Noviziat", erzählt Sr. Stefanie Strobel. Seit 1995 ist sie Ordensschwester bei der "Kongregation der Helferinnen der Seelen im Fegfeuer" - so der vollständige Namen des Ordens. Seit über vier Jahren leitet die heute 48-Jährige als Oberin von Wien aus die Ordensprovinz.

Den Seelen helfen

Die Gründerin der Helferinnen war im Jahr 1856 die Französin Eugénie Smet -das geschah in einer Zeit, in der die katholische Kirche in Frankreich stark in Bedrängnis war. Smet, die für sich den Ordensnamen "Maria von der Vorsehung" wählte, wollte seinerzeit jenen Menschen helfen, die in Not geraten sind -unabhängig von deren Weltanschauung, deren Religion oder deren Zugehörigkeit zu einer fremden Kultur. Sie griff dabei das Anliegen des heiligen Ignatius von Loyola, des Gründers des Jesuitenordens, auf, den "Seelen zu helfen" und sie bis zur endgültigen Begegnung mit Gott zu begleiten. Diese "ignatianische Spiritualität" lebt der Orden bis heute. Auch übernahm er die Satzungen der Jesuiten.

Eugénie Smet ging in Zivil, um nicht aufzufallen. Damit wollte sie den Menschen die Scheu vor den Ordensschwestern nehmen. Diese Offenheit wurde fortan auch zu einem "Erkennungsmerkmal" der Gemeinschaft. Im Jahre 1957 wurde die Gründerin durch Papst Pius XII. seliggesprochen.

Seit dem Jahr 1897 besteht die Ordensgemeinschaft in Wien - in der Martinstraße und in der Abt-Karl-Gasse im 18. Bezirk. 13 Schwestern wohnen heute hier - in zwei voneinander getrennten Wohnhäusern und auf verschiedenen Stockwerken. An das damalige Klostergebäude, das sich früher zwischen den beiden mehrstöckigen Wohnhäusern ausbreitete, erinnert heute nur mehr die Kirche. Nicht in der Kirche sondern im Oratorium im vierten Stock des Hauses treffen sich heute die Schwestern jeden Abend; beten und feiern hier gemeinsam die Vesper.

Früher wohnten auch die Helferinnen in Klöstern. Diese lösten sie aber nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf, da sie noch näher bei den Menschen sein, ihre Sorgen erkennen und sie unterstützen wollten - und das in kleineren Gemeinschaften an vielen Orten. Dieser Aufbruch sicherte der Ordensgemeinschaft auch das Überleben und führte infolge auch zu mehr Eintritten in die Gemeinschaft, erzählt Sr. Stefanie Strobel.

"Wir stempeln niemanden ab"

"Die Zeichen der Zeit der Gesellschaft lesen, ihre Nöte und Ängste zu erkennen und darauf zu reagieren - dieser Grundsatz gilt bei uns bis heute", sagt Sr. Stefanie Strobel. "Wir 'bekehren' die Menschen aber nicht."

Schwestern der Kongregation arbeiten heute unter anderem in Pfarren, in Spitälern oder Seniorenheimen - etwa als Pastoralassistentinnen, Krankenschwestern, Sozialarbeiterinnen. Und sie betreuen Gefangene und Flüchtlinge. "Gott stempelt niemanden ab - auch wir nicht", betont Strobel. Er halte zu jeder, zu jedem. "Du bist und bleibst immer ein Geschöpf Gottes und das in jeder Situation."

Wien spielte bei der Ausweitung des Ordens eine zentrale Rolle, weiß Sr. Stefanie Strobel. Wie kam es dazu? In den siebziger Jahren entstanden jenseits der Donau neue Siedlungen und Stadtteile -immer mehr Menschen zogen dorthin. Die Erzdiözese Wien ersuchte daher die Helferinnen, die neuen Pfarren in der neu entstehenden Großfeldsiedlung zu unterstützen. Einige Schwestern folgten dem Ruf und wirkten hier bald als Pastoralassistentinnen.

Zur Ordensprovinz der Helferinnen gehört heute aber nicht nur Wien beziehungsweise Österreich sondern auch Ungarn, Rumänien und Deutschland. Sie bilden eine Verwaltungseinheit. "Diese Provinz entstand nicht durch Zusammenlegung, sondern durch Neugründungen von Wien aus", erklärt die Oberin stolz und lacht. "Ich bin aber den umgekehrten Weg gegangen -von Deutschland nach Wien." Die Generalleitung befindet sich in Wien; das gemeinsame Noviziat hingegen in der Nähe von Paris. Damit sollen Novizinnen auch die Internationalität des Ordens besser kennenlernen.

In der Interkulturalität der Ordensgemeinschaft sieht Sr. Stefanie Strobel die Möglichkeit, Menschen aus anderen Kulturen besser zu verstehen und sie wertzuschätzen: "Wir als Ordensfrauen können ein Zeugnis geben, dass das Zusammenleben mit anderen Kulturen gelingen kann."

Das Leben mit verschiedenen Kulturen bereichert ihr Leben bis heute, erzählt die Ordensfrau. Geboren und aufgewachsen ist Stefanie Strobel in Brüssel, wohin ihre Eltern aus Nordbayern gezogen waren. Hier besuchte sie die Internationale deutsche Schule, an der sie im Jahre 1988 maturierte. Die Jahre, die sie im multikulturellen Brüssel verbrachte, weckten auch ihr Interesse an verschiedenen Kulturen. Stefanie Strobel lebte nach der Schule bei den Jesuiten in Brüssel und erkannte, dass das Ordensleben und das gelebte Christsein sie anspricht und erfüllte.

Ein Berufungserlebnis im klassischen Sinn hatte sie nicht, gibt sie zu. Doch in welche Gemeinschaft wollte sie eintreten, fragte sie sich. Es sollte eine sein, die international ausgerichtet ist und die das Miteinander der Kulturen fördert und respektiert - 1995 entschied sich für die Kongregation der Helferinnen.

In Krisen zum Tod

Die Ordensgründerin war seinerzeit beeindruckt von dem Gedanken des Fegefeuers. Der vollständige Ordensname lautet seither auch "Kongregation der Helferinnen der Seelen im Fegfeuer"."Dem Fegfeuer begegnet jeder im Moment der Gottesbegegnung mit dem Tod", erzählt Sr. Stefanie Strobel. Das sei schmerzlich und schön zugleich. "Wir glauben, dass der Mensch im Moment des Todes erkennt, wer er ist." Das sei eine Läuterung. Gott möchte den Menschen dadurch zur Vollkommenheit führen. Durch Schmerz, Leid oder Krankheit wachse jeder. Der Tod sei die letzte Krise, die jeder Mensch durchmacht, so Sr. Stefanie Strobel. "Wir hoffen dabei auf die Barmherzigkeit Gottes."

Sr. Stefanie Strobel verlässt den Balkon, geht ins Wohnzimmer und setzt sich auf die Couch. "Ja, ich fühle mich besonders wohl als Deutsche in Wien", lacht sie. Viel sei sie in der Ordensprovinz unterwegs; daher bekomme sie vom Leben in der Stadt wenig mit, bedauert sie. "Aber wenn ich auf meinem Balkon stehe, bin ich ihr wieder ganz besonders nahe."

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