Hoffnung durch Frauen-Kraft

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Palästinas Gesellschaft - ob deren christlicher oder muslimischer Teil - ist seit langem patriarchal geprägt. Doch gerade hier trifft man engagierte Frauen, die Hoffnung wider die Resignation predigen - und leben.

"Die Besatzung ist gegen alle Logik“, meint Nuha Khoury, Leiterin des Dar al-Kalima College in Bethlehem: "Irgendwann werden wir frei sein. Und dafür müssen wir gewappnet sein. Darum dürfen wir nicht verzweifeln. Unsere Rede ist: Hoffnung! Hoffnung! Hoffnung!“ Immer wieder begegnet man in Palästina Frauen, die der weit verbreiteten Resignation und dem politischen Stillstand trotzen - auch wenn die Trennmauer ebenso wächst wie die immense Arbeitslosigkeit, auch wenn die Strukturen in der eigenen palästinensischen Gesellschaft starr scheinen.

Nuha Khoury, evangelische Christin, leitet das von ihrem Schwager, dem Bethlehemer Pfarrer Mitri Raheb 2006 gegründete College, das in seinen Studiengängen auf die Notwendigkeiten vor Ort reagiert: Einer davon ist eine Tourguide-Ausbildung, die alternativen Tourismus fördern will: "Wenn man nicht hier in Bethlehem war, versteht man die Bibel nicht!“, sagt Khoury. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Förderung von Frauen, die es in der Gesellschaft schwer haben. Dass im Dar al-Kalima College mehr Frauen als Männer studieren, bedeute noch nicht, dass die patriarchalen Strukturen schon überwunden seien. Zusätzlich hat sich das Colleg auf bildende und darstellende Kunst sowie Dokumentarfilm spezialisiert, auch die vom Starmusiker Daniel Barenboim und dem palästinensischen Kulturwissenschafter Edward Said († 2003) initiierte klassische Musikausbildung wird angeboten.

Gesundheit - nicht nur für Kinder

Besonders weist Nuha Khoury auf die Diabetesambulanz hin, die hier gleichfalls angesiedelt ist: Gesundheitliche Prävention sei gerade in Palästina mit seiner schlechten Akutversorgung vordringlich. Khoury: "Diabetes ist bei den ganz Reichen und bei den Armen im Land ein großes Problem!“

Analoges bereichtet auch Hiyam Marzouqa, die Chefärztin des Caritas Baby Hospitals ist. Marzouqa, die in Deutschland Medizin studiert hat, leitet seit 2006 das Spital, das vor genau 60 Jahren vom Schweizer Ordenspriester Ernst Schnydrig gegründet wurde. Heute ist das ausschließlich aus Spenden erhaltene Krankenhaus ( www.kinderhilfe-bethlehem.at) ein Vorzeigeprojekt.

Neben den 82 Betten wurden in den letzten Jahren die Ambulanzen und Kurse für junge Mütter ausgebaut, erzählt Marzouqa: Hierzulande seien die Mütter oft sehr jung. Außerdem stellen die Verwandtenheiraten und dadurch bedingte Erbkrankheiten ein großes Problem dar. Während des Spitalsaufenthaltes der Kinder wird versucht, die Mütter mit den grundbegriffen von Säuglings- und Kinderpflege vertraut zu machen. Die Chefärztin sagt, Verwandtenheirat sei bei Christen wie bei Muslimen gleichermaßen ein Problem und letztlich nur durch Bewusstseinsbildung bei den Frauen in den Griff zu bekommen. Eben das werde mit den Schulungsangeboten versucht.

Auch der klinische Bereich bedarf der Ausweitung, berichtet Marzouqa: Zurzeit wird eine Intensivstation errichtet. Bislang musste man dafür nach Jerusalem fahren. Und das ist in der derzeitgen Lage abenteuerlich, wie die österreichischen Besucher miterleben: Ein Säugling soll nach Ostjerusalem verlegt werden. Da müssen per Fax und Telefon entsprechende Genehmigungen eingeholt werden. Hält Hiyam Marzouqa all diese Papiere in Händen, wird das Baby von einer palästinensischen Rettung bis zum Checkpoint an der Trennmauer gebracht. Dort muss es dann nach der Kontrollprozedur in ein israelisches Rettungsauto umgeladen werden, bis dann die Fahrt nach Ostjerusalem, das keine 10 Kilometer entfernt ist, weitergehen kann. Man kann sich ausmalen, was passiert, wenn diese Prozedur einen akuten Notfall betrifft…

"Eine Mauerschafft nie Frieden!“ So lautet das knappe Resümee von Chefärztin Hiyam Marzouqa.

Pflege von Alten und Behinderten

Mit Mauererlebnissen ähnlicher Art kann auch Schwester Hildegard Enzenhofer, die in Beit Emmaus-Qubeibe nordwestlich von Jerusalem ein Pflegeheim leitet, aufwarten. Als die oberösterreichsche Salvatorianerin vor acht Jahren hierher kam, stand die Mauer noch nicht. Sie konnte zum nahe gelegenen Kibbuz spazieren, und die Bewohner von dort kamen ins Dorf einkaufen. Das alles ist mittlerweile Geschichte. Wenn ein Palästinenser eine Genehmigung hat, nach Jerusalem zu fahren, muss er für die wenigen Kilometer eine mehrstündige Fahrt samt Wartezeit am Checkpoint einkalkulieren.

Enzenhofer ist es nach zähen Verhandlungen mit dem Militär gelungen, für die Schwestern von Qubeibe und ihre ausländischen Besucher die Genehmigung zu erwirken, einen nahen inoffiziellen Checkpoint benutzen dürfen - ein Privileg, von dem die Einheimischen nur träumen können. Aber auch an dieser Übertrittsstelle kann es vorkommen, dass der diensthabende Soldat den Schranken nicht oder erst nach eigenem Gutdünken öffnet.

Seit 1973 betreiben die österreichischen Salvatorianerinnen das Pflegeheim in Beit Emmaus, in dem vor allem allein stehende alte Menschen, aber auch Behinderte, die in der lokalen Gesellschaft ganz wenig gelten, untergebracht sind ( www.salvatorianerinnen.at). 2006 konnte die österreichische Ordensfrau eine Kooperation mit der Bethlehem University etablieren und dem Pflegeheim eine Kinderkrankenpflegschule anschließen. Ein wichtiges Projekt in der abgetrennten Region - und ein Hoffnungsschimmer in der, wie auch aus Schwester Hildegards Ausführungen deutlich wird, so hoffnungsarmen Zeit. (Otto Friedrich)

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