Kirchliche Geheimniskrämerei

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In aufgeheizter Atmosphäre mögen die Medien unausgewogen sein. Konkreter: Wo es um "Sex" - in welcher Form auch immer - geht, traut die veröffentlichte Meinung der katholischen Kirche alles zu. In den letzten Tagen wurde so ein vatikanisches Geheimpapier aus 1962 hochgespielt, in dem es - verkürzt gesprochen - um Verschwiegenheit zu sexuellem Missbrauch bei der Beichte ging. Nach heutigem Stand stellt dieses Dokument nicht jenes "smoking gun" dar, nach dem vor allem im angelsächsischen Raum Anwälte von Missbrauchsopfern suchen, um zu beweisen, dass die katholische Kirche sexuellen Missbrauch in ihrem Bereich systematisch vertusche.

Der gegenständliche Fall mag verzerrt sein, dass aber die katholische Kirche in vielen ihrer Entscheidungs- und Untersuchungsvorgänge auf Geheimniskrämerei statt auf Transparenz setzt, ist eine Tatsache - und im 21. Jahrhundert ein Ärgernis: Diese Relikte eines absolutistischen Feudalsystems fallen der katholischen Kirche in den Missbrauchsskandalen weltweit auf den Kopf.

Aber nicht nur Rom ist zu kritisieren: Als einsamer Rufer verlangt hierzulande Helmut Schüller, von der Erzdiözese Wien eingesetzter Ombudsmann für Missbrauchsopfer, österreichweite Kirchenrichtlinien zu Prävention und Aufarbeitung von Missbrauch. Was Schüller schon vor fast einem Jahr in der Furche forderte, gilt immer noch nicht für ganz Österreich. Auch Schüllers dieser Tage gegenüber der Presse geäußerte Forderung nach einer für die Opfer menschenwürdigen Aufarbeitung der Affäre Groër, ist zuzustimmen.

Nicht das Dokument aus 1962, sondern der Umgang Roms (und hierzulande) mit einem Fall wie jenem des verstorbenen Wiener Alterzbischof taugt als "smoking gun", um unangemessenes (Ver-) Schweigen anzuprangern.

Solange sich das nicht ändert, hat die katholische Kirchenleitung keinen Grund, über schlechte Presse zu klagen.

otto.friedrich@furche.at

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