Mariazell löste 1952 keine Krise aus

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Dieser Tage hat man sich dort und da eines bedeutenden katholischen Journalisten erinnert, der 100 Jahre alt geworden wäre: Richard Barta, Kathpress-Chefredakteur, enger Berater und Redenschreiber von Kardinal König. Unvergessen ist er unter Wissenden als Hauptverfasser des "Mariazeller Manifests“, mit dem der Österreichische Katholikentag 1952 das Staatskirchentum zu Grabe trug und die Nabelschnur zwischen Kirche und Parteipolitik mit einem Schwerthieb zerschlug. Die SPÖ gab den Anspruch auf Religionsersatz auf und stimmte einer Neufassung des Konkordats zu. Eine neue Ära begann. Ihr Grundkonzept wurde 13 Jahre später vom Konzil, von dem damals noch kein Mensch etwas ahnte, in der Pastoralkonstitution "Gaudium et Spes“ verankert.

Das Dokument, das zu diesem Manifest führte (das eigentlich eine Aussendung der Pressestelle des Katholikentags war), war gemäß Selbstdarstellung auf einer Studientagung von Amtsträgern und Laien "in voller Freiheit, ohne gebundene Route und ohne Regie beraten“, von keiner Kircheninstanz in Österreich formell proklamiert und niemals von Rom "bestätigt“ worden. Der Katholikentag applaudierte, und die Bischofskonferenz unter Kardinal König setzte es um, ohne eine auf den Vatikan reduzierte "Weltkirche“ um Genehmigung zu bitten.

Eine solche Erinnerung könnte von Nutzen sein, wenn heute gefragt wird, ob sich der Zwerg Österreich denn einbilde, den Riesen Weltkirche "belehren“ zu können. Eine große Versammlung (muss keine Synode sein) debattiert "ohne gebundene Route und ohne Regie“ die Argumente der Reformgruppen - und der Kardinal berichtet in Rom sachlich darüber wie schon 1998 über die Delegiertenkonferenz von Salzburg. Wenn dann nicht wieder ein Bischof auf dem Petersplatz den "Lügnern“ via TV "Maul halten“ gebietet, könnte sich das Rad der Geschichte ohne viel Quietschen weiterdrehen.

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