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Militanter Glaube

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Ist der Jahwe-Zebaot, der Gott der Heerscharen, notwendigerweise der Patron von Kreuzzügen, Religi-ons- oder Golfkriegen? Der Religionssoziologe Holl sieht noch einen größeren Zusammenhang: von der unmenschlichen Rereitschaft Abrahams, seinen Sohn zu schlachten über Rudolf Ottos Ruch „Das Heilige” bis zum verräterischen Titel „Ernstfall” von Walter Rurkert sieht er einen unauflöslichen Zusammenhang von Eingottglauben und Intoleranz, ja Gewalt. Die daraus zu ziehende Konsequenz: versucht man, die Militanz durch Toleranz zu ersetzen, sie zu „begütigen”, so würde zwangsläufig die Religion überhaupt abgeschafft werden.

Heinrich von Navarra und Nikolaus von Kues, beide an der Schwelle zur Neuzeit, führt Holl aber als „Kronzeugen” für pazifierte, tolerante Formen gemeinsamer Religionsausübung an. Dem folgt ein Preis der Skepsis, die allein geeignet ist, Absolut heitsansprüche, Exklusivität und damit Intoleranz und Militanz zu durchbrechen. Zuletzt wirft er einen Seitenblick auf Sarahs Lächeln über die göttliche Ankündigung, übers Jahr einen Sohn zu gebären: „Die Reimi-schung eines Tröpfchens Heiterkeit sollte auch der ernstesten Frömmigkeit nicht schaden.”

„... auch wenn sich ein paar Stellen aus der Bibel herausklauben lassen, die zivile Umgangsformen mit Andersgläubigen andeuten” (S. 50) - bitte sehr: die Palette reicht von der Hochachtung des Fremden im gesamten Alten 'Testament über den Universalismus eines Deuterojesaja bis zu den unzähligen Stellen im Neuen Testament, die die Exklusivität Israels oder der Christen relativieren bis kritisieren. Man denke nur an die häufigen Vorkommen von „Samariter” in den Evangelien. Und was den Islam betrifft, führt Holl selbst als Beispiel Indonesien an, wo der Islam alles andere als fundamentalistisch ist. Damit darf nicht bestritten werden, daß die historische Realität Holl recht gibt, daß Religion und Macht und Gewalt ein verhängnisvolles Dreieck bilden können, daß Toleranz und „interreligiöses Lernen” natürlich keine antiken, sondern aufklärerische bzw. postmoderne Begriffe sind. 'Theologen bleibt die Aufgabe, den Spuren der allumfassenden Liebe Gottes in Tora, Bibel und Koran weiter nachzuspüren.

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