"Müssen System reformieren“

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Manfred Nowak ist Leiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Menschenrechte. Er war bis zum Sommer dieses Jahres Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Folter.

Die Furche: Seit mehr als einem Jahr kommen immer wieder schockierende Berichte von den Zuständen in Flüchtlingslagern in Griechenland. Doch die Kritik scheint an den Behörden abzuprallen. Warum?

Manfred Nowak: Für kurze Zeit haben die Proteste schon Wirkung gezeigt. Da haben sich die Griechen bemüht, die Unterkünfte von Frauen und Jugendlichen zu verbessern. Aber das war bei Weitem nicht genug. Das einzig Positive, das man sagen kann, ist, dass tatsächlich niemand mehr in Europa Asylwerber nach Griechenland zurückschiebt. Dazu sind die Empfehlungen des Menschenrechtsgerichtshofes zu eindeutig.

Die Furche: Dafür schieben die österreichischen Behörden die Flüchtlinge nach Ungarn zurück wo die Umstände für die Asylwerber ebenfalls suboptimal sind.

Nowak: Das zeigt nur einmal mehr, wie reformbedürftig die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik ist. Wir müssen endlich Reformen in Richtung eines gemeinsamen Asylsystems setzen.

Die Furche: Wie würde sich das von dem geltenden System unterscheiden?

Nowak: Das einzig Sinnvolle wäre, den Menschen selbst zu überlassen, wo sie um Asyl ansuchen wollen und auch dorthin zu lassen. Das ist nicht nur moralisch gerechtfertigt. Es würde auch die hohen Kosten dieses ständigen Zurück- und Abschiebens vermeiden helfen. Dazu braucht es aber auch gemeinsame Standards und eine gemeinsame Asylbehörde.

Die Furche: Griechische Politiker argumentieren mit der Wirtschaftskrise als Begründung für die schlechte Behandlung von Flüchtlingen. Hat die Wirtschaftskrise den Fortschritt bei den Menschenrechten zum Stillstand gebracht?

Nowak: Generell kann man das sicher so nicht sagen. Global ist sehr viel in Bewegung. Denken Sie nur an die Revolutionen im arabischen Raum.

Die Furche: Diese Revolutionen sind das eine - die Umsetzung der Menschenrechte etwas anderes.

Nowak: Ich bin ein unverbesserlicher Optimist. In den vergangenen Jahren hat sich der Fortschritt in Wellenbewegungen vollzogen. Nach dem Ende des Kommunismus gab es große Fortschritte. Das vergangene Jahrzehnt war eine Epoche der vertanen Chancen. Die Krise hat aber sehr viele Fragen neu aufgeworfen. Über die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit des Wirtschaftssystems und darüber, dass sich nun etwas ändern soll. Das bedeutet letzten Endes auch eine Diskussion über die bessere Umsetzung der Menschenrechte. Es liegt an der Politik, das zu realisieren.

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