Flucht historisch - © Foto: Sovfoto/Universal Images Group via Getty Images

70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention: Im inneren Niemandsland

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Am 28. Juli feiert die Genfer Flüchtlingskonvention ihr 70-jähriges Bestehen. Als rechtliches Instrument diente sie zum Schutz der europäischen Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute ist dieses längst reformierungsbedürftig, doch jeglicher politischer Wille fehlt.

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Am 28. Juli feiert die Genfer Flüchtlingskonvention ihr 70-jähriges Bestehen. Als rechtliches Instrument diente sie zum Schutz der europäischen Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute ist dieses längst reformierungsbedürftig, doch jeglicher politischer Wille fehlt.

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Sie kamen in überfüllten Fischerbooten, ausgehungert und ausgelaugt in der Hoffnung, Schutz zu finden: Es waren tausende europäische Flüchtlinge aus Griechenland und Jugoslawien, die sich in den 1940er-Jahren vor den Nazis in Sicherheit brachten. Ihr Ziel: die damals blühende Metropole Aleppo in Syrien. In Zeltlagern wurden sie versorgt und warteten, bis der Krieg vorbeiging.

Heute gleicht Aleppo, diese „Hauptstadt der islamischen Kultur“, mit ihren zertrümmerten Häusern und zerstörten Moscheen einer Geisterstadt aus einem Horrorfilm. 6,6 Millionen Menschen mussten seit den gewaltsamen Protesten und dem darauffolgenden Bürgerkrieg Syrien verlassen. Mehr als eine Million syrischer Geflüchteter hat nun etwa 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Schutz in Europa gesucht.

Trauriges Jubiläum

Es ist ein trauriges Jubiläum, das die Genfer Flüchtlingskonvention 2021 feiert: Das neunte Jahr in Folge und trotz der Corona-Pandemie ist die Zahl der vor Gewalt, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen geflohenen Menschen im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Weltweit 82,4 Millionen Vertriebene und Geflüchtete zählte das UNOFlüchtlingshochkommissariat (UNHCR) bis Ende 2020, wie aus dem kürzlich veröffentlichten Bericht „Global Trends“ hervorgeht. Mehr als die Hälfte davon - 48 Millionen - sind Binnenvertriebene, also Vertriebene im eigenen Land.

Am 28. Juli 1951 legte die neugegründete Genfer Flüchtlingskonvention zum ersten Mal fest, wer ein Flüchtling ist und welche Rechte Flüchtlinge haben. Insgesamt 149 Staaten sind dem rechtlichen Papier bisher beigetreten. Es ist ein globales Übereinkommen, das anfangs vor allem zum Schutz europäischer Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg gedacht war. Anerkannte Flüchtlinge sind demnach Menschen, die aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aufgrund ihrer politischer Überzeugung ihre Heimat verlassen mussten. In den ersten Jahren hat sich der Inhalt der Genfer Flüchtlingskonvention ständig erweitert. So wurde mit der Zeit festgelegt, dass es sich bei Flüchtlingen nicht lediglich um jene Geflüchteten aus dem Zweiten Weltkrieg handeln muss. Damit integrierte die Genfer Flüchtlingskonvention rechtlich auch jene Flüchtlinge zur Zeit des Kalten Krieges in das Papier. Das für den Menschenrechtsexperten Manfred Nowak wichtigste Recht jedoch ist jenes auf Asyl: „Jeder Mensch, der an die Grenze kommt und sagt: ‚Ich brauche Asyl‘, darf nie abgeschoben werden, ohne dass man ihn identifiziert und ihm ein Asylverfahren gewährt.“

Kriegsflüchtlinge nicht erfasst

Die Genfer Flüchtlingskonvention sei zwar verbesserungswürdig, aber immer noch das beste Instrumentarium, das wir derzeit haben, sagt Nowak. Doch die Fluchtursachen haben sich geändert. „Menschen, die heute zu uns kommen, sind nicht etwa aus rassischen Gründen verfolgt, sondern sie fliehen vor fürchterlichen Kriegen im Irak, im Südsudan oder in Syrien“, so der Menschenrechtsexperte. Kriegsflüchtlinge sind in der Genfer Flüchtlingskonvention bis heute nicht erfasst.

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