Asylgesetze helfen nicht den Armen

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Nur massiver Wohlstandstransfer könnte das Migrationsproblem entschärfen. Asylgesetze - liberal oder streng - helfen da nicht.

Das Asylrecht ist nicht mehr zeitgemäß. Schon wenn man diesen Satz schreibt, muss man sich der Gefahr bewusst sein, dass man Beifall von der falschen Seite bekommt. Es steht allerdings zu befürchten, dass der Populist vom Bärental aus der jetzigen Situation mehr Vorteile zieht als aus einer geänderten, den Realitäten Rechnung tragenden Politik.

Auch wenn man unser Asylgesetz liberaler formulieren würde - es wäre nicht geeignet, die durch das Wirtschaftsgefälle ausgelösten Migrationsbewegungen zu regeln und der großen Masse der Armen dieser Welt zu helfen. Dazu bedarf es anderer Maßnahmen. Die europäischen Asylgesetze basieren auf der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) aus dem Jahre 1951. Diese Konvention sollte eine gewisse Rechtssicherheit für die Millionen Flüchtlinge des Zweiten Weltkrieges schaffen. Sie war auch ein brauchbares Instrument für Flüchtlinge aus kommunistischen Ländern. Diese erhielten relativ leicht Asyl, sie mussten - anders als heute - nicht einmal eine individuelle Verfolgung nachweisen. Es genügte, dass sie aus dem Land des "Bösen" kamen.

Was hat sich seither geändert? Nun, die Kernbestimmungen der GFK sind die gleichen. Asyl ist danach jemandem zu gewähren aus "begründeter Furcht vor Verfolgung wegen Religion, Rasse, Nationalität, politischer Überzeugung sowie Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe". Die GFK war auf eine staatliche Verfolgung in der Ersten Welt angelegt. Den Ansturm aus der Dritten Welt aus Gründen der Armut konnte 1951 niemand vorhersehen. Die Länder der Ersten Welt unterstellen heute zu Recht, dass die meisten Asylsuchenden aus der Dritten Welt Wirtschaftsflüchtlinge sind. Das sieht die GFK aber nicht als Asylgrund vor. Präziser ausgedrückt sind diese Menschen "Einwanderungswillige" und das ist durch ein Asylgesetz nicht zu regeln.

Kritik gibt es immer wieder an der Drittstaatenregelung. Danach kann ein Asylsuchender nicht Asyl bekommen, wenn er schon vorher in einem "sicheren" Land war, in dem er um Asyl hätte ansuchen können und in dem ein rechtsstaatliches Verfahren sicher erscheint. Das steht zwar nicht expressis verbis in der GFK, widerspricht ihr aber auch nicht. Der Gesetzgeber geht zurecht davon aus, dass ein Flüchtling im ersten sicheren Land, das er erreicht, um Asyl ansucht und nicht durch halb Europa reist, bis er ein Land gefunden hat, in dem es ihm gefällt (oder in dem der Wohlstand etwas höher ist). Der zweite Kritikpunkt betrifft die Regelung, dass nur von Staaten verfolgte Flüchtlinge Asyl bekommen. Das Verlangen, auch jenen Asyl zu gewähren, denen der Staat keinen ausreichenden Schutz vor Verfolgungen innerhalb eines Staates bieten kann, würde den Westen allerdings vor unlösbare Probleme stellen. Angesichts der chaotischen Zustände in vielen Staaten Afrikas und Asiens würde die Zahl der Anspruchsberechtigten in die hunderte Millionen gehen.

Ein Wohlstandsgefälle gab es auf der Welt schon immer. Das Wissen darüber war aber bei den Benachteiligten gering. Der jetzige Ansturm auf die Wohlstandsfestung Europa hat viel mit der Globalisierung der Information zu tun. Westliche TV-Serien vermitteln in der Dritten Welt das Bild von reichen Ländern und offensichtlich auch unrealistische Vorstellungen. Dazu kommt auch die Globalisierung von Verkehrswegen, die die Annäherung an Europa erleichtern. Und schließlich gibt es ein gut organisiertes Schlepperwesen, dass pro Kopf bis zu 10.000 Dollar kassiert. Wer allerdings diese Summe aufbringen kann, gehört in einem Entwicklungsland nicht zu den ganz Armen.

Zu uns kommt der afrikanische und asiatische Mittelstand. Die ganz Armen haben kein Geld für die Schlepper, keinen Zugang zu den Informationen und nicht das Wissen, wie man nach Europa kommt. Natürlich ist jedes einzelne Schicksal der Asylsuchenden trotz allem erbarmungswürdig. Es leben aber auf der Welt vier Milliarden Menschen unter entsetzlichen Bedingungen. Die Zuspitzung auf diese Zahl zeigt, dass mit dem Asylrecht nicht alle Probleme der Welt gelöst werden können.

Das enthebt die Erste Welt freilich nicht der Verpflichtung gegen das Elend in der Dritten Welt mehr zu tun als bisher:

* Die internationale Staatengemeinschaft muss mehr Konfliktprävention betreiben (Intervention bei Beginn von Konflikten);

* Bei bewaffneten Konflikten sind in regionaler Nähe Auffanglager zu errichten (ähnlich den Lagern in Albanien im Kosovokonflikt);

* Vorübergehende Aufnahme von Kriegsflüchtlingen (wie im Bosnien-Krieg);

* Massiver Wohlstandstransfer in die Dritte Welt (im Vordergrund muss Hilfe zur Selbsthilfe stehen, durchgeführt durch NGO's wie Caritas, Menschen für Menschen, Ärzte ohne Grenzen ...)

Die konsequente Durchführung oben genannter Massnahmen würde den Armen in der Welt mehr helfen als Asylgesetze, seien sie nun liberal oder restriktiv formuliert.

Der Autor ist freier Publizist und ehemaliger ORF-Chefredakteur.

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