Zählt jetzt nur mehr die Kostensenkung?

Werbung
Werbung
Werbung

Beamte müssen täglich Menschen auf die Straße setzen und die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen stehen täglich vor der unlösbaren Aufgabe, diese Obdachlosen unterzubringen. Kritik in jeder Form gibt es seit Jahren - eine menschenrechtskonforme und menschliche Lösung gibt es bis heute nicht.

Traiskirchen und damit die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Asylwerbern ist zum Thema in den Medien geworden. Mich erinnern diese Berichte an die Rumänienkrise 1989, als gewarnt wurde, dass 50.000 Rumänen im Anmarsch auf Traiskirchen seien. Die Folgen muteten kafkaesk an: Lautsprecherwagen fuhren durch die Straßen und riefen zur Sicherung der Stadt auf, Hubschrauber kreisten über Traiskirchen, eine Kette von Gendameriebeamten umstellte das Lager, alle Zufahrtswege zum Ort waren gesperrt, um jeden Fremden am Betreten des Ortes zu hindern - aber es gab weit und breit keine Fremden, die nach Traiskirchen wollten. Alle Aufregung war künstlich erzeugt und entbehrte jeder realen Grundlage, aber sie verhinderte geradezu ein sachliches Herangehen an etwaige Probleme.

Und wie ist es heute? Trotz aller Schreckensmeldungen berichtet die Gendarmerie, dass die durch das Lager direkt versursachte Kriminalität erstaunlich gering ist (vom Lager ausgehend praktisch keine Drogenkriminalität, keine Sexualdelikte). Obwohl ich oft spät abends und alleine im Lager oder in der neben dem Lager befindlichen Kirche bin, war ich in den 13 Jahren meiner Arbeit nicht ein einziges Mal durch Flüchtlinge gefährdet.

Das soll aber keine Schönrederei sein. Die ist nicht am Platz. Die Situation ist schlimm, aber in erster Linie für die Asylwerber. Das Recht auf Existenzsicherung, ableitbar aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europäischen Sozialcharta, garantiert Personen in Notlage die unabdingbaren Grundlagen eines menschenwürdigen Daseins. Trotzdem krankt das österreichische System auch derzeit schon an einer extrem restriktiven Haltung gegenüber Asylwerbern in Hinsicht Existenzsicherung.

Im Jahr 2000 wurden 18.284 Asylanträge gestellt. Per 31. 12. letzten Jahres befanden sich nur 2.953 AsylwerberInnen in Bundesbetreuung, obwohl laut Statistik des Innenministeriums mehr als 10.000 Asylverfahren anhängig waren. Es gibt keine Statistiken, wie hoch der Prozentsatz der AsylwerberInnen ist, denen Bundesbetreuung gewährt wird. Schätzungen zufolge sollen es nur ein Drittel aller AsylwerberInnen sein.

Das bedeutet, dass Beamte täglich Menschen auf die Straße setzen müssen und die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen täglich vor der unlösbaren Aufgabe stehen, diese Obdachlosen unterzubringen. Auch heuer hat es schon die ersten Krankheitsfälle gegeben, weil manche im Freien übernachten mussten. Kritik in jeder Form gibt es seit Jahren - eine menschenrechtskonforme und menschliche Lösung gibt es bis heute nicht.

Soll die Privatisierung der Flüchtlingsbetreuung nun zum Allheilmittel werden? Ist es möglich und vielleicht auch verständlich, wenn sich das zuständige Innenministerium dieser schwierigen Aufgabe einfach entledigen will? Aber welcher Aufgabe, bitte? Bisher wurde nur dieses Schlagwort in den Raum gestellt, nähere Einzelheiten über Umfang, Rahmenbedingungen und Mittel wurden nicht bekanntgegeben, Gespräche mit Fachleuten fanden bislang nicht statt.

Nicht nur Flüchtlinge, auch Mitarbeiter des Ministeriums sind betroffen. Viele berichten davon, dass auch sie nur von der Absicht informiert worden seien. Näheres sei für sie völlig ungewiss: von der Zwangspensionierung bis zur Arbeitslosigkeit vor allem älterer Mitarbeiter werde alles befürchtet.

Welchen Stellenwert gibt diese Regierung den Menschenrechten, den sozialen Rechten? Oder zählt nur mehr die Kostensenkung?

Es ist wohl klar: Vieles könnte effizienter gestaltet werden. Die Qualität der Betreuung von Asylwerber wird sich in erster Linie aus den politischen Rahmenbedingungen ergeben. Ob die vollziehenden Organe für die Behörde oder einen privaten Betreiber arbeiten, spielt da wohl keine so große Rolle. Diese Verantwortung kann der zuständige Minister nicht abtreten. Die verantwortlichen Politiker werden wohl die Entscheidung treffen müssen, welchen Stellenwert Menschenrechte für sie haben und wieviel ihnen diese wert sind: folgen sie rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten, ist das Risiko sehr groß, dass die Standards noch weiter gesenkt, Leistungen für Flüchtlinge noch mehr eingeschränkt werden.

In anderen Ländern, in denen es im Bereich der Grundversorgung von Asylwerbern eine freie Konkurrenz gibt, ziehen sich NGOs bereits wieder zurück, da beispielsweise Hotelbetreiber sowie Wach- und Schließgesellschaften billigere Angebote erstellen, aber auch geringere Leistungen erbringen, was die Hilfsorganisationen nicht mehr vertreten können und wollen.

Die Privatisierung darf aber keinesfalls dazu führen, dass die Leistungen für Asylwerber noch weiter absinken. Sollten Menschenrechte und somit auch soziale Rechte den politisch Verantwortlichen wichtig sein, muss es eine klare Entscheidung in diese Richtung geben. Die Verweigerung von Unterbringung, Versorgung und medizinischer Hilfe ist zu beenden, Rahmenbedingungen und Betreuungsstandards müssen sehr präzise formuliert und ausreichend dotiert werden. Nur dies kann das Heilmittel gegen die herrschenden Missstände und zukunftsweisend sein.

Die Autorin ist die Leiterin der Betreuungsstelle des Evangelischen Flüchtlingsdienstes in Traiskirchen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung