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Österreich hat viele Bosnier aufgenommen. Was sagen die österreichischen Parteien zur Zukunft dieser Flüchtlinge?

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Österreich hat viele Bosnier aufgenommen. Was sagen die österreichischen Parteien zur Zukunft dieser Flüchtlinge?

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Die Haltung der ÖVP war zunächst unklar. Noch vor den Wahlen hatte sich Parteiobmann Wolfgang Schüssel dafür ausgesprochen, „rasch mit der Rückführung der bosnischen Flüchtlingen" zu beginnen. Dies sei „aus humanitären, politischen und wirtschaftlichen Gründen im Interesse Österreichs". Zwangsweise solle eine Heimkehr nicht erfolgen, „aber ein aktraktives Angebot zu stellen, wäre auch aus österreichischer Sicht sinnvoll."

Nach heftigen Protesten der SPÖ und der Grünen stellte die außenpolitische Sprecherin der ÖVP, Ingrid Tichy-Schreder, jedoch klar, daß sich ihre Partei selbstverständlich an den international vorgegebenen Rahmen halten werde. So seien sichere Bedingungen, wie Schutz durch die Friedenstruppe und Chance auf Sicherung des Lebensunterhaltes wesentliche Voraussetzungen für die Rückführung der Vertriebenen.

Innenminister Caspar Einem von der SPÖ warnte bei einer Veranstaltung mit bosnischen Flüchtlingen vor Weihnachten in Wien vor einer „offensiv geführten Diskussion" zu diesem Thema. Er glaubt, daß es noch Monate dauern werde, bis die nötigen Unterstützungsmaßnahmen zu greifen beginnen und die zerstörte Infrastruktur wenigstens ansatzweise wiederhergestellt sei. „Die Menschen, die soviel erlitten haben, leben noch immer in der Unsicherheit, wie konkret und haltbar ein Friede in ihrem Land sein kann."

Einem rechnet damit, daß insbesondere diejenigen, die derzeit noch in betreuten Einrichtungen sind, also etwa 20.000 Menschen, wieder in ihre Heimat zurückwollen. „Die Erfahrungen mit anderen Ländern zeigen, daß ein Großteil der Flüchtlinge zurückkehrt, wenn die Verhältnisse in ihrem Heimatland wieder stabiler sind", so der Innenminister.

Zwangsweise zurückgeschickt werde gewiß kein in Österreicher lebender Flüchtling. Im Gegenteil, „diejenigen, die hier sind und integriert sind, sollen die Chance erhalten, hier zu bleiben und zu leben, wie das auch andere Ausländer tun."

Im Innenministerium wurde nach dem Friedensvertrag von Dayton eine Informationsstelle für rückkehrwillige Flüchtlinge eingerichtet. Menschen, die zurückkehren wollen, sollen dort genaue Details über die Lage in ihren Heimatgebieten erhalten. Auf die Frage, ob Rückkehrer mit einer materiellen Unterstützung rechnen könnten, sagte Einem, daß es voraussichtlich Hilfe in einem bescheidenen Umfang, „dort, wo es notwendigist", geben werde. „In der Frage der Vertriebenen geht es vor allem um konkretes Engagement für Menschen. Österreich hat daher innerhalb der Europäischen Union eine Initiative gestartet, um eine gemeinsame Hilfsaktion mit den EU-Staaten als auch mit den Vereinten Nationen in die Wege zu leiten", betonte Einem.

Die Sprecherin des Liberalen Forums, Heide Schmidt, begrüßte auf einer Diskussionsveranstaltung die Ankündigung des Ministers, keinen Druck auf die bosnischen Vertriebenen auszuüben. Sie plädierte dafür, daß sich Österreich in dieser Frage an den internationalen Plan des UNO-Flüchtlingskommissariats halte.

Ahnlich denkt auch die Migrationssprecherin der Grünen, Terezija Stoisits. Im Gespräch mit der Furche, unterstrich sie, daß es wichtig sei, niemanden zwangsweise nach Hause zu schicken. Denn trotz des Friedensvertrages leiden die Menschen in unserem Nachbarland noch immer bittere Not. Durch die de-facto-ethnische Aufteilung des Landes werde es für einige Flüchtlinge auch gar kein Zurück mehr geben. „Einige bosnische Flüchtlinge werden für immer in unsere Gesellschaft zu integrieren sein", meinte Stoisits, doch dem Großteil werde eine Rückkehr möglich sein. letzt gelte es den Wiederaufbau Bosniens wirtschaftlich, humanitär und politisch zu unterstützen.

Von den Grünen hat sich auch die Wiener Stadträtin Susanne lerusalem zu Wort gemeldet. Sie forderte von Bürgermeister Michael Häupl, daß Wien ein „mutiges und offensives Zeichen" setzt, um den de-facto-Flüchtlingen die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft frühzeitig zu erleichtern: „Viele werden heimkehren wollen, aber viele, vor allem jüngere werden auch hierbleiben wollen. Diesen Menschen soll Wien Beratung und Integrationshilfen anbieten." Diesem Vorschlag können die Freiheitlichen nichts abgewinnen. Parteiobmann, Jörg Haider, verlangte auf einer Pressekonferenz die rasche Rückführung der in Österreich lebenden bosnischen Flüchtlingen. So sollte ein Teil der in Österreich lebenden Vertriebenen zum Wiederaufbau in ihre Heimat gebracht werden, „damit sie nicht nur darauf vertrauen, daß junge Männer aus europäischen Staaten diesen Wiederaufbau durchführen."

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