Guter Flüchtling, böser Flüchtling

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Erst haben sie ein Ersatzquartier abgelehnt, dann den Hungerstreik wieder begonnen, jetzt begegnen sie auch Menschen, die auf ihrer Seite stehen, mit Misstrauen. Drum werden Nasen gerümpft und Köpfe geschüttelt über Trotz und Undankbarkeit der Flüchtlinge in der Votivkirche. "Pakistan ist groß genug, die müssen ja nicht ins Kriegsgebiet zurück“, liest man in Internetforen.

Doch die Treffsicherheit von geopolitischen Analysen aus dem Wohnzimmer ist begrenzt - nicht nur, wenn es um Menschen in einer psychischen und hungerstreikbedingt auch physischen Ausnahmesituation geht. Sogar Leute, die sich hauptberuflich damit beschäftigen, liegen manchmal gehörig daneben. Das zeigt ein Fall, den Judith Ruderstaller, Rechtsberaterin bei "Asyl in Not“ öffentlich machte: So wurde im Asylverfahren eines Mannes aus Dominica mangels Kenntnis der Existenz dieser karibischen Insel einfach die Dominikanische Republik zu seiner Heimat ernannt. Weil er, obwohl dort Landessprache, kein Spanisch konnte, galt er als unglaubwürdig und musste zur Sprachanalyse. Die ergab, dass seine Heimat Nigeria sei. Da ihm dort ja keine Gefahr drohte, sollte er gleich ausgewiesen werden und kam in Schubhaft. Erst ein Urteil der nigerianischen Botschaft, die ihm einen "rastafarian“ Akzent beschied, rettete ihn vor der Abschiebung nach Nigeria.

Die richtige Perspektive finden

Fälle wie dieser zeigen, dass Österreichs gelobtes Asylwesen sehr wohl Verbesserungsbedarf hat. Die Wiederaufnahme des Dialogs mit den Votickirchen-Demonstranten wäre ein guter Ansatz. Demonstranten in Schubhaft zu nehmen und abzuschieben, wie es diese Woche geschehen ist, ist keiner.

Gerade jetzt, da die EU über eine gemeinsame Asylpolitik verhandelt, die zwar Schutz bieten, aber gleichzeitig verhindern soll, dass "alle zu uns kommen“, wenn es ihnen hier zu gut geht, muss man etwas in die richtige Perspektive zu rücken: Die EU nimmt derzeit zehn Prozent der weltweiten Flüchtlinge auf, das entspricht 20 Millionen Menschen oder vier Prozent der europäischen Bevölkerung. Die USA nehmen 20 Prozent aller Flüchtlinge auf, rund 13 Prozent der eigenen Bevölkerung.

Hoffnung auf ein besseres Leben

Freilich gibt es auch jene, die wir gerne als "Wirtschaftsflüchtlinge“ abqualifizieren. Warum eigentlich? Zwischen 1945 und 1962 wanderten mehr als 41.000 Österreicher nach Australien aus, 28.000 gingen nach Kanada. Der Krieg war vorbei, die Hoffnung auf ein besseres Leben nicht. Einer von ihnen, der damals mit 200 Dollar in der Tasche einen Dampfer nach Kanada bestieg, will nun Gutes für seine alte Heimat tun. Auch wenn Frank Stronachs politisches Engagement nicht nur auf positive Resonanz stößt: Für seinen Erfolg als Selfmade-Milliardär in Übersee zollt man ihm in Österreich Respekt. Geschichten wie seine gibt es viele: Der Innsbrucker Heini Moser verließ das Land 1954. Im Gepäck: ein Paar Ski und fünf Dollar. In Kanada gründete er das Skigebiet Onaping. Und der größte südafrikanische Stahlkonzern wurde vom österreichischen Auswanderer Hubert Plettenbacher gegründet.

Die Abenteurer von damals sind heute gefeierte Helden. Aber Menschen, die heute einen ähnlichen Weg gehen wollen, wie die jungen Werkzeugmacher, Skilehrer und Ingenieure damals, werden als "Asylbetrüger“ kriminalisiert. Freilich war Stronach kein Asylwerber, sondern Immigrant. Diese Unterscheidung muss weiter bestehen, damit jene, die vor Krieg, Verfolgung oder Misshandlung geflohen sind, den Schutz bekommen, der ihnen zusteht. Doch jene, die vor Nachkriegsnot, Katastrophen oder Hoffnungslosigkeit fliehen, haben so gut wie keine Möglichkeit, legal nach Österreich oder in die EU einzureisen. Europa muss auch dieses Thema in Angriff nehmen: Wir müssen uns mit den Menschen beschäftigen, wenn sie kommen - und nicht erst, wenn sie das Land verlassen sollen.

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