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Schweden hat in der Nazi-Zeit Asyl gewährt. Eine "große Lehre" nannten viele dieses Erlebnis, im Unterschied zur großen Leere für Asylwerber derzeit in Österreich.

Bert Brecht:

Über die Bezeichnung Emigranten

Immer fand ich den Namen falsch, den man uns gab: Emigranten.

Das heißt doch Auswanderer. Aber wir

Wanderten doch nicht aus, nach freiem Entschluss

Wählend ein anderes Land. Wanderten wir doch auch nicht

Ein in ein Land, dort zu bleiben, womöglich für immer.

Sondern wir flohen. Vertriebene sind wir, Verbannte.

Und kein Heim, ein Exil soll das Land sein, das uns da aufnahm.

Der Streit, den Bert Brecht in einem seiner Svendborger Gedichte beschreibt, ist nach wie vor aktuell. Wer und was denn dieser oder diese nun seien, die von den Zeitläuften, der wirtschaftlichen Situation oder einfach nur aus Abenteuerlust von zu Hause weg und in ein fremdes Land getrieben werden, beherrscht auch heute noch die Gemüter - vor allem jener, die dadurch mit einem Mal gezwungen sind, "ihr" Land, "ihre" Heimat mit anderen zu teilen.

Asylant oder Wirtschaftsflüchtling? Diese Frage beherrscht die augenblickliche Diskussion in Österreich. Zweitere bekommen laut einer seit Anfang des Monats geltenden Richtlinie des Innenministeriums keine Bundesbetreuung mehr. Dafür erhalten sie ein Rückflugticket in das Herkunftsland und ein wenig Reisegeld. Hilfsorganisationen protestieren, dass Asylwerber auf der Straße stehen. Der Innenminister kontert, er wolle bei den Menschen, die ins Land kommen oder flüchten keine falschen Hoffnungen wecken - in Wahlkampfzeiten will er vielleicht auch die Erwartungen bestimmter Wählergruppen ansprechen. Wie auch immer, eines steht als Ministerlinie jedenfalls fest: Asylanten ja, Wirtschaftsflüchtlinge nein.

Gegen die "Sogwirkung"

Unausgesprochen schwingt die Befürchtung mit, die ein Beamter des Innenministeriums gegenüber der Furche einmal als "unglaubliche Sogwirkung" bezeichnet hat. Dem wollen die offiziellen Stellen nicht nur dadurch entgegenwirken, dass schon bisher die Bundesbetreuung beileibe nicht für alle Asylwerber ein selbstverständliches Recht war. Jetzt wurde diese Einschränkung präzisiert und in den Ländern, aus denen man die meisten Wirtschaftsflüchtlinge erwartet, hat Österreich eine "Aufklärungskampagne" über die gar nicht so rosigen Bedingungen für Asylwerber im Land gestartet.

Diese Anti-Kampagne werde ein Land wie Österreich nicht lange durchhalten, meint Günter Ecker, Geschäftsführer von SOS-Menschenrechte. Das ist maximal eine "Gemütsberuhigung", sagt Ecker. Österreich ist ein Tourismusland, das auf der ganzen Welt mit seinen Vorzügen wirbt. Jetzt eine "Zwei-Marken-Strategie" zu versuchen und neben dem attraktiven Werbebild ein Abschreckungsbild des Landes zu zeichnen, hält der Flüchtlingsexperte für eine "Propaganda, die ins Leere geht".

Früher hätten seine und andere NGOs kritisiert, dass es "keine objektivierbaren Kriterien" für die Aufnahme in die Bundesbetreuung gab, differenziert Ecker auf die Frage nach seiner Einschätzung zum Vorgehen von Innenminister Ernst Strasser. "Jetzt liegen klare Richtlinien auf dem Tisch." Die Intention dahinter, so der SOS-Menschenrechte-Aktivist: "Zu Recht wird eine Zielgruppe definiert, um mit den vorhandenen Kapazitäten auszukommen." 7.000 Plätze seien vorhanden und mit dem durch die Sparpolitik verordneten Tagessatz von rund 14 Euro für ein Quartier, gestaltet sich die Suche nach weiteren Unterkunftsmöglichkeiten als nahezu aussichtslos. Hinzu komme, dass sich Länder wie Vorarlberg, Kärnten und Salzburg, laut Ecker, "unterproportional" an der Unterbringung und Versorgung von Asylwerbern beteiligen.

Trotzdem, ein rechtsstaatlich konformes Asylverfahren steht nach wie vor jedem und jeder zu, der und die sich nach Österreich flüchten. Für Günter Ecker gibt es jedoch eine Tendenz, dass Menschen ohne Fluchtgrund einen Asylantrag stellen und damit zu einer weiteren Belastung für das Flüchtlingswesen werden. Den Vorschlag, diese Gruppe anstatt mit dem negativ besetzten Wort "Wirtschaftsflüchtlinge" abzustempeln, als "Elendsflüchtlinge" zu bezeichnen, lehnt Ecker ab. Die Genfer Flüchtlingskommission hat Flucht sehr klar definiert, stellt er klar und meint, hier gehöre er zu den "Puristen im Sprachgebrauch". Alles andere sei Migration, legal, illegal, gerechtfertigt oder auch nicht - für den Geschäftsführer von SOS-Menschenrechte wäre nur wichtig, dass diese Einreise ohne Ausnutzung und gleichzeitiger Desavouierung des Asylwesens vor sich geht.

Asyl in Misskredit?

Dieser Punkt ist es auch, der Ernst Schwarcz in der gegenwärtigen Diskussion besonders aufstößt: "Wer selber einmal Asyl gesucht und gefunden hat, reagiert sensibel, wenn diese lebensrettende Institution in Misskredit gebracht wird." Er war "einer der letzten, die rausgekommen sind", erzählt der Sohn eines jüdischen Wiener Verlagsleiters. Am 15. Juli 1939, eineinhalb Monate vor Kriegsbeginn ist er 16-jährig in Schweden aus dem Zug gestiegen. Sein Vater, der später im Konzentrationslager in Minsk umgebracht wurde, hat den Buben mit der Schwedischen-Israel-Mission" in Kontakt gebracht und darin eine Chance gesehen, das Leben des Kindes zu retten.

Insgesamt wird die Zahl der jüdischen Bevölkerung, die zwischen 1938 und 1941 Österreich verlassen konnte, mit 146.816 Personen angegeben. Schweden nahm 725 auf. Im Buch "Das österreichische Exil in Schweden" beschreibt der Autor Thomas Kiem die Ressentiments der dortigen Bevölkerung als durchaus vergleichbar zur Einstellung vieler heutiger Österreicher gegenüber Ausländern: "Schweden ist kein Immigrationsland", hieß es und vor "Überfremdung wurde gewarnt". Parteien versuchten, mit ausländerfeindlicher Polemik Stimmen zu gewinnen und im Gegenzug bemühten sich Hilfsorganisationen, das Nötigste für die Unterbringung der Fremden zu organisieren. Bruno Kreisky hat seine Zeit dort im Rückblick als "Schweden, die große Lehre" bezeichnet.

Ernst Schwarcz sieht das genauso: Die geistigen und körperlichen Grundlagen für sein weiteres Leben habe er dort bekommen. Zuerst war er in der Landwirtschaft tätig, später konnte er eine Druckereilehre abschließen und damit den Grundstein für seinen beruflichen Werdegang nach der Heimkehr legen. Geistig, spirituell prägte ihn die Friedensbewegung. Asyl - die große Lehre für Ernst Schwarcz. Für seine heutigen Schicksalsgefährten bedeutet diese Zeit hingegen oft nur eine große, dumpfe Leere und viel vertane Zeit. Schade d'rum!

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