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Unter mühsamsten Bedingungen haben die Menschen ihr ausgebranntes Heimatland Afghanistan verlassen. In Österreich beginnt dann das lange, zermürbende Warten auf Asyl.

Herr A. aus Afghanistan heißt mich willkommen - im Notquartier, eingerichtet vom Evangelischen Flüchtlingsdienst (efdö) in der Wiener Grimmgasse. A. ist seit März 1999 in Österreich. Seine Flucht hat 20 Tage gedauert. 8.000 US-Dollar hat er für einen Schlepper bezahlt. In Herat, im Nordwesten Afghanistans hat er mit Jugendlichen einen asiatischen Kampfsport trainiert. Anhänger der Taliban warfen ihm vor, dass er Leute, die gegen das Regime auftreten wollen, trainiere. Man drohte ihm mit Haft, es wurde zu gefährlich für ihn.

Das Heim von efdö bietet 95 Plätze für Flüchtlinge, das heißt, ein Bett pro Person und beherbergt derzeit auch 20 alleinstehende Männer aus Afghanistan. "Sieben Flüchtlinge haben einen positiven Bescheid, die anderen haben offene Asylverfahren", sagt die Sozialarbeiterin Zohreh Mohammad-Beiktork. Das Warten der jungen Männer kann lange dauern.

Die 1. Instanz im Asylverfahren, das Bundesasylamt, hat über den Antrag auf Asyl von A. negativ entschieden. Nun wartet er seit August 1999 auf eine Entscheidung in 2. Instanz vom Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS). Das Warten ist zermürbend. Der junge Mann ist 28 Jahre alt, er würde gerne arbeiten und etwas lernen. Die Matura hat er in seiner Heimat gemacht, doch die Papiere hat er nicht dabei: "Ich bin gelaufen. Wenn es brennt, nimmt man nichts mit", sagt er.

Nach Angaben des UNO-Flüchtlingswerkes (UNHCR) könnten nun bis zu 1,5 Millionen Afghanen aus Angst vor US-Angriffen ihre Heimat verlassen. Die Nachbarländer haben die Grenzen bereits geschlossen. Mit einem dramatischen Hilfsappell wandte sich UNO-Generalsekretär Kofi Annan an die internationale Staatengemeinschaft. Für die Versorgung der Flüchtlinge an den Grenzen seien 252 Millionen US-Dollar nötig.

Pakistan beherbergt jetzt schon zwei Millionen afghanische Flüchtlinge, die im Laufe der letzen Jahrzehnte vor den Kriegswirren in Afghanistan geflüchtet sind. Internationale Hilfsorganisationen haben in den letzten Tagen und Wochen Afghanistan verlassen. Allein innerhalb Afghanistans sollen mehrere hundertausend Menschen auf der Flucht sein. A. konnte bisher nur einmal Kontakt zu seiner Familie aufnehmen. Er wisse nicht, wo sie sind, vielleicht auch auf der Flucht.

Gestiegene Quote

Schon vor dem 11. September hat die Hilfsorganisation "Asyl in Not" einen ständigen Zustrom von Afghanen, die vor dem Regime geflüchtet sind, verzeichnet. Amnesty international berichtet im Jahresbericht 2001 von Folter, Hinrichtungen, von unmenschlichen und erniedrigenden Strafen und von Menschen, die in Haft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren sind. Besonders Frauen sind von rigorosen Einschränkungen betroffen: sie dürfen nicht arbeiten und sind gesundheitlich kaum versorgt.

"Die Anerkennungsquote bei Asylanträgen afghanischer Flüchtlinge ist nun hoch: Im Jahr 2000 waren es 48 Prozent der abgeschlossenen Verfahren, im Gegensatz zu Null Prozent bei Nigerianern oder 25 Prozent bei Irakern" so Michael Genner von "Asyl in Not". In den letzten Monaten kommen ledige Männer aus Afghanistan nicht mehr in Schubhaft. Man könne von einer grundlegenden Änderung der Spruchpraxis bei Afghanen sprechen. Innenminister Strasser sei auf Forderungen eingegangen. Zum Beispiel habe er jene Praxis eingestellt, dass Familienväter in Schubhaft kommen und die Frau, die Kinder in Pensionen - oft weit weg - untergebracht wurden. Besonders bei Frauen gab es "haarsträubende Bescheide".

Wenn die Afghanen kein Asyl bekommen, werden sie derzeit nicht abgeschoben und haben Chance auf eine vorläufige, befristete Aufenthaltsberechtigung. "Ein Schritt zur Integration ist dann die Sozialhilfe, Deutschkurse und der Versuch, eine Firma zu finden, die beim Arbeitsmarktservice um Beschäftigungsbewilligung ansucht," sagt ein Flüchtlingsbetreuer.

Genner bezeichnet den UBAS als wichtigste Errungenschaft, da den Flüchtlingen dadurch ein faireres Verfahren ermöglicht wird. Unabhängige Richter entscheiden nach bestem Wissen und Gewissen. Vorher hat in 2. Instanz das Bundesministerium für Inneres entschieden. "Die Hauptlast der Flüchtlingsströme trägt die Dritte Welt", so Genner. Asyl in Not fordert deshalb eine generelle "christlichere Lastenaufteilung".

A. und ein weiterer Landsmann sitzen im kargen, schmucklosen Raum für Deutschkurse. Sie haben einen Traum: endlich Friede in Afghanistan. Nach Österreich sind sie nicht gekommen, nur um etwas zu bekommen. "Wir wollen keine Almosen, sondern wir wollen Bürger in Österreich sein". Sie wollen auch nicht herumsitzen, sie wollen mitgestalten, arbeiten, lernen ...

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