Glück im Unglück: Die Welt schaut hin

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Gabriela Sonnleitner ist Sprecherin eines inter nationalenCaritas-Teams in Pakistan. Über die Situation in den Flüchtlingslagern, die aufgeheizte Stimmung in Islamabad und den angeblichen alleinigen Ansturm auf die österreichische Botschaft spricht die gebürtige Kärntnerin im furche-Telefoninterview.

die furche: Wie haben Sie den Beginn der US-Angriffe erlebt?

Gabriela Sonnleitner: Wir waren kurz vor den Angriffen ungefähr 50 Kilometer von der afghanischen Grenze entfernt in den pakistanischen Flüchtlingslagern rund um Peshawar. Uns wurde dann empfohlen, die Stadt möglichst schnell zu verlassen. Jetzt sind wir in Islamabad. Die Stimmung hier ist sehr gespannt, es gibt Demonstrationen, und Jugendbanden ziehen durch die Stadt, hetzen gegen Ausländer und stiften Unruhe.

die furche: In Österreich kursieren Meldungen, nur unsere Botschaft in Islamabad werde von Flüchtlingen gestürmt, während es in den Botschaften anderer Staaten ruhig geblieben sein soll. Können Sie das bestätigen?

Sonnleitner: Mit der österreichischen Botschaft habe ich keinen Kontakt gehabt. Ich bin aber durch das Botschaftsviertel gefahren und habe vor etlichen Botschaften Flüchtlinge Schlange stehen sehen. Vor allem vor dem UNHCR-Büro wartet eine riesengroße Menge an Flüchtlingen. Und die amerikanische Botschaft ist sowieso total abgeriegelt.

die furche: Wie will die Caritas helfen?

Sonnleitner: Unsere Arbeit hat drei Stoßrichtungen: Zum einen versorgen wir jene Flüchtlinge, denen es gelingt aus Afghanistan herauszukommen. Wir werden rund 75.000 Familien mit Decken, Matratzen und Hausrat versorgen. Für 10.000 Familien können wir Zelte errichten. Darüber hinaus übernimmt die Caritas die Wasserversorgung in sechs neuen Camps und die Gesundheitsversorgung in zwei Camps.

Zum anderen versuchen wir, nach Afghanistan zu gelangen, um dort Hilfsgüter zu verteilen. Die eigentliche Flüchtlingskrise spielt sich dort ab. Ausgelöst durch eine fürchterliche Dürre, wurde sie durch die Herrschaft der Taliban noch verschärft und durch die US-Angriffe jetzt auf den Höhepunkt getrieben.

Drittens, darf jetzt aber auch auf jene Flüchtlinge, die oft schon seit Jahren in pakistanischen Lagern leben, nicht vergessen werden.

die furche: Sie waren in den Lagern, wie ist die Situation dort?

Sonnleitner: Total erschreckend! Man muss sich vorstellen, da hausen Hunderttausende Menschen in einer extrem unwirtlichen Wüstengegend, in der es nichts gibt außer Steinen und Sand. Viele leben vor Hitze und Kälte völlig unzureichend geschützt unter Planen. Jetzt hat es in diesen provisorischen Zelten eine unerträgliche Hitze, aber schon in einem Monat wird es bitter kalt werden.

Die Caritas stellt den Bedürftigsten Material für Ein-Raum-Häuser zur Verfügung. Das sind kleine Lehmhütten für mehrere Familien, die sich ein Klo und eine Nasszelle teilen. Viele Kinder sind unterernährt. Es fehlt nicht nur an Lebensmitteln, auch die hygienische Situation ist gotterbärmlich. Hinzu kommt, dass die medizinische Versorgung vollkommen unzureichend ist. In manchen Lagern wiederum ist die Infrastruktur schon recht gut ausgebaut. Nur, es gibt halt überall noch sehr große Lücken im System.

die furche: Werden christliche Hilfsorganisationen bei der Arbeit behindert?

Sonnleitner: Wir arbeiten seit Jahren schon mit lokalen Partnern zusammen und treten als Caritas nicht in den Vordergrund. Außerdem betonen wie stets, dass wir uns mit allen Religionen im Kampf gegen das Elend verbünden. Das ist unsere Grundpolitik, die wir hier sehr stark verfolgen. Auch kümmern wir uns nicht nur um die Christen, sondern immer um alle. Bisher hatten wir dadurch keine Probleme.

die furche: Wie ist die Stimmung gegenüber Ausländern in der Region?

Sonnleitner: Natürlich sind wir in einer Situation, wie sie jetzt herrscht, Vergeltungs- und Racheaktionen ausgesetzt. Deswegen müssen wir für unsere Mitarbeiter auch besondere Sicherheitsmaßnahmen treffen. Wir Ausländer dürfen auch nicht in jene Gegenden, wo die neuen Lager aufgebaut werden. Das sind besonders gefährliche Gebiete, an der Grenze zu Afghanistan, in denen noch das Recht und Gesetz der einzelnen Stammesführer gilt. Da ist es noch einmal ein anderes Problem, aber die Gefahr für uns besteht eher durch Leute, die uns nicht kennen und die ihre Wut ausleben wollen.

die furche: Werden Sie von der pakistanischen Regierung unterstützt?

Sonnleitner: Die Haltung der pakistanischen Regierung ist sehr offen. Sie versucht das Bindeglied zwischen dem Westen und den Taliban zu sein. Pakistan ist ja auf die Unterstützung des Westens angewiesen, um mit diesen Flüchtlingsmassen fertig zu werden. So ist es ein Glück im Unglück, dass jetzt die Scheinwerfer der Weltöffentlichkeit auf die Situation hier gerichtet werden.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich

Die österreichische Caritas bittet dringend um Spenden:

PSK 7.700.004

Kennwort: Flüchtlinge Afghanistan

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