Neubeginn mit Hindernissen

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"Bis Ende März waren über 32.400 Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte als arbeitslos gemeldet oder in einer Schulung.

Die Vermittlung von Asylberechtigten sei in Branchen mit traditionell höherem Ausländeranteil wie im Bau, Tourismus oder in der Gesundheit leichter, erläutert Beate Sprenger vom AMS.

'Die Aufbruchsstimmung, mit der die Leute hier ankommen, verflüchtigt sich', erläutert August Gächter. Sie könne aber von einem Betrieb, der Flüchtlinge beschäftigt, wieder aktiviert werden."

Zahra hat es geschafft. Stolz zeigt sie ihren neuen Reisepass. "Ich habe jetzt Asyl", verkündet sie stolz. "Aber nicht nur ich -auch meine Familie." Seit zwei Jahren lebt die 40-Jährige mit ihrer Familie in Wien. Sie kommt aus Afghanistan. Krieg, Vertreibung und Flucht liegen heute weit hinter ihr -die Zukunft vor ihr. Ihre dunklen Augen blicken auf den Pass wie auf einen Goldschatz, als sie diesen wieder behutsam in ihrer Handtasche verstaut.

Nach dem positiven Asylbescheid müssen Asylberechtigte rasch handeln. Ihnen bleibt eine Frist von vier Monaten, um eine neue Existenz aufzubauen. Sie fallen aus der Grundversorgung und müssen um Mindestsicherung ansuchen -ohne Meldeadresse erhalten sie diese jedoch nicht.

Die Übergangsphase ist für viele Flüchtlinge sehr prekär", sagt Susanne Schaidinger vom Integrationsverein Interface (Interview Seite 9). "Viele Asylberechtigte warten sechs bis acht Wochen oder länger auf die Mindestsicherung." Für viele ist es daher auch ein Wettlauf gegen die Zeit. "Wie viele Menschen von akuter Wohnungslosigkeit betroffen sind, erfassen wir nicht", sagt die Caritas Wien. Es gibt verschiedene Angebote der Wiener Wohnungslosenhilfe, die Asylberechtigten zur Verfügung stehen. So gibt es etwa Startwohnungen mit rund 1000 Wohnplätzen, die diese Menschen auffangen können und vom Fonds Soziales Wien (FSW) gefördert werden. 84 Prozent der 8500 Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten wohnen aber bereits privat, heißt es aus dem FSW. Und über 70 Prozent der Asylwerber in der Grundversorgung leben in privaten Unterkünften, der Rest in organisierten Quartieren. Sie müssen daher auch nicht ausziehen, beruhigt der FSW.

Zahras Familie fand bald eine private Wohnung im elften Bezirk in Wien. Die Suche danach war anfangs eine große Herausforderung, erinnert sie sich. Zahras Mann hat eine Arbeit gefunden. Sie können sich daher die neue Wohnung auch leisten.

Gebremste Integration

Nach einem positiven Asylbescheid werden Flüchtlinge vom Arbeitsmarktservice (AMS) betreut. Bis Ende März waren hier über 32.400 Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte als arbeitslos gemeldet oder in einer Schulung. Es waren um rund 11,5 Prozent mehr als im März 2017. Die Zahlen steigen von Monat zu Monat, erklärt Beate Sprenger, Pressesprecherin des AMS Österreich gegenüber der FURCHE.

Trotzdem wurde das Sonderbudget für Integrationsmaßnahmen wie etwa für Deutschkurse, Berufsorientierung oder Bewerbungstraining heuer massiv gekürzt -von über 100 Mio. auf 50 Mio. Euro. 2019 gebe es zwar das Integrationsjahr noch, dafür aber kein eigenes zweckgewidmetes Budget mehr, bedauert sie.

"Man kürzt genau dort, wo Asylberechtigte entsprechende Bildungswege beschreiten und für den Arbeitsmarkt qualifiziert werden können", sagt Susanne Schaidinger. "Im Regen stehen gelassen werden sie in Wien trotzdem nicht." Wien nehme viel Geld in die Hand, um Asylberechtigte zu unterstützen. Die Situation sei hier auch wesentlich besser als in den Bundesländern, erklärt die Expertin.

Die Vermittlung von Asylberechtigten sei in Branchen mit traditionell höherem Ausländeranteil wie im Bau, Tourismus oder in der Gesundheit leichter, erläutert Beate Sprenger. Schwieriger sei es hingegen in hochqualifizierten Branchen, da für diese Berufe sehr gute Deutschkenntnisse vorausgesetzt werden, die viele Geflüchtete nicht so rasch vorweisen können. Für Elisabeth Schaidinger ist ein positiver Asylbescheid ein wichtiger Baustein zur weiteren Integration. "Er ist die Voraussetzung, um mit einem Gefühl der Sicherheit an einer Zukunftsperspektive arbeiten zu können."

"Flüchtlinge haben nur selten mittlere berufliche Ausbildungen wie einen Lehrabschluss oder die berufsbildende mittlere Schule, die für Österreich typisch sind und mit denen sich das AMS leicht tut", erklärt Soziologe August Gächter vom Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) in Wien.

Für höher Qualifizierte sei Österreich ein sehr problematisches Zielland. Sie müssten versuchen, in andere Länder weiterzuziehen, findet er. August Gächter: "Schon in München sind sie besser dran." Es gebe in einigen Bundesländern den Versuch, Flüchtlinge mit Qualifikationen mit Hilfe des AMS für qualifizierte Tätigkeiten fit zu machen. August Gächter: "Da aber Anerkennungsverfahren langwierig und teils schikanös sind, dauert das lange."

Am Beispiel Wien

Die Lehargasse in Wien-Mariahilf ist ein beschaulicher Ort: Jedes Biedermeierhaus erzählt hier Geschichte. Syrus liebt diese Gegend, wandert gerne nicht nur durch diese Gasse nahe dem Naschmarkt in Wien. "Schau, hier hat früher Ludwig van Beethoven gewohnt", sagt Syrus begeistert, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. "Und wenige Gassen weiter komponierte Joseph Haydn." Ihre Musik fasziniere ihn jedes Mal, wenn er sie hört.

Syrus kommt aus Teheran. Im Jahre 2015 reiste der damals 35-Jährige mit einem Visum nach Österreich. Im September 2016 suchte er in Österreich um Asyl an. Denn eines wollte er definitiv nicht: zurück in die alte Heimat. Er habe Angst vor dem Regime, wie er sagt. Als Christ fühle er sich im Iran nicht mehr sicher. Österreich sei für ihn heute schon eine neue Heimat; hier könne er in Freiheit leben. "Ich fühle ich mich hier zu Hause", gibt er zu. "Fast schon wie ein Österreicher -aber leider nur fast."

Aufbruchsstimmung verflogen

Syrus: "Ich dachte, es ist einfacher, hier Asyl zu bekommen und danach als Maschinenbauer Arbeit zu finden." Doch dem ist nicht so. Der erste Asylbescheid, den Syrus vor wenigen Wochen erhielt, war negativ. Er berief dagegen -und wartet jetzt wieder. Er führt den negativen Bescheid auf die verschärften Bedingungen in der österreichischen Asylpolitik zurück. Seine Dokumente seien eindeutig, erzählt er. Außerdem bringe er als Akademiker eine gute Ausbildung sowie langjährige berufliche Erfahrungen mit.

Syrus arbeitet heute ehrenamtlich, damit er eine Aufgabe hat und nicht, wie so viele andere in seiner Unterkunft, in den Tag hineinlebt. Er kennt darunter etliche, die traurig sind und nicht wissen, was sie tun sollen. Bis zur Flucht waren sie Englischlehrer oder EDV-Techniker, Handwerker oder Taxifahrer.

"Die Aufbruchsstimmung, mit der die Leute hier ankommen, verflüchtigt sich mit der Zeit", erläutert August Gächter. Sie könne aber von einem Betrieb, der Flüchtlinge beschäftigt, wieder aktiviert werden.

Optimistischer als Syrus blickt selbstverständlich Zahra in die Zukunft. "Ich möchte hier bald wieder als Schneiderin arbeiten", betont sie. Einen Job habe sie noch keinen - aber das AMS unterstütze sie bereits bei der Suche danach. Derzeit lernt sie Deutsch und legt bald ihre erste Sprachprüfung ab. "Ich möchte genauso gut Deutsch sprechen wie heute meine Kinder", wünscht sie sich. "Weil Österreich jetzt meine Heimat ist."

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