Neuer Mut und Selbstvertrauen

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Die Stärken von Arbeitslosen ausbauen und seine Schwächen ausbügeln. Das ist das Ziel von Selbsthilfegruppen. Die erfolgreiche Idee kann mit hohen Vermittlungsquoten aufwarten.

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Die Stärken von Arbeitslosen ausbauen und seine Schwächen ausbügeln. Das ist das Ziel von Selbsthilfegruppen. Die erfolgreiche Idee kann mit hohen Vermittlungsquoten aufwarten.

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Das Beste fürs Selbstbewußtsein ist, über bezahlte Arbeit das Leben zu sichern," ist Willibald Pöll vom Arbeitsmarktservice (AMS) überzeugt. Das klingt einleuchtend, trifft aber leider nicht für alle Arbeitswilligen zu.

Arbeitslosigkeit bedingt den Ausfall von Erwerbseinkommen. Dagegen wird Vorsorge getroffen. Dem Arbeitslosen drohen aber weit schlimmere Nachteile als Einkommenseinbußen. Es ist Tatsache, daß sich mit fortschreitender Arbeitslosigkeit auch der Mensch ändert: Er verliert den Glauben an sich selbst. Es ist daher ein eminent gesellschaftspolitisches Anliegen, dem Arbeitslosen sowohl sein Selbstwertgefühl als auch ein gewisses Vertrauen in die Zukunft wiederzugeben.

Trost und Rat Dieses Ziel haben sich Selbsthilfegruppen für Arbeitslose gesetzt. Ihre Arbeit und die Erfolgsquoten beweisen, daß hier eine dringend notwendige Maßnahme gesetzt wurde. So bezeichnet AMS-Berater Pöll, Betreuer einer Selbsthilfegruppe am Esteplatz in Wien, seine Ziele so: "Die vorhandenen Stärken des Arbeitslosen weiter ausbauen und seine Schwächen nach Möglichkeit ausbügeln."

Die Pädagogin und Psychologin Franziska Riemer betreut die Gruppe in gruppendynamischer Hinsicht: "Die Themen der Selbsthilfegruppe geben die Teilnehmer vor. Menschen, die 15 bis 20 Jahre bezahlt gearbeitet haben, denen kann man nicht erzählen, wie das Leben zu meistern ist. Trotzdem wird gegrübelt und werden Fehler bei sich selbst gesucht. Bei ein- bis dreihundert Bewerbungsschreiben, die mit zwei oder drei Antworten belohnt werden ("Leider haben wir derzeit keine Verwendung für sie") ist das nicht weiter verwunderlich."

Die Pilotgruppe am Esteplatz wurde im September 1996 gegründet. Seither starten dreimal im Jahr je zwei Gruppen, mit maximal 20 Teilnehmern, die dann drei Monate zusammenbleiben. In der ersten Intensivwoche wird das Programm für die in der Folge einmal pro Woche ganztägig stattfindenden Treffen erarbeitet. Jede Gruppe ist so verschieden wie ihre Mitglieder. Bestimmte Fragen kommen - naturgemäß - immer wieder: Wie bewerbe ich mich richtig? Wie stelle ich mich vor? Was darf ich zusätzlich verdienen? Muß ich dem Dienstgeber in spe alles bis ins kleinste Detail sagen?

"Das Projekt am Esteplatz ist neu in seiner Art, weil dort erstmals auch eine externe, psychologisch geschulte Trainerin dabei ist" meint Michael Musäus, Pressesprecher des AMS Wien. "Es ist uns klar, daß wir verstärkt in den Bereich ,Hilfe zur Selbsthilfe' gehen müssen. Ein Vorgemerktenstand von ein paar hundert Menschen zur Beratung macht neue Formen der Betreuung notwendig. Eine Selbsthilfegruppe ist eine davon. Wir sind dabei, dieses doch sehr erfolgreiche Pilotprojekt auf ganz Wien auszudehnen. Im Jahre 1997 hatten wir insgesamt 120 Leute in diesen Gruppen. Die Teilnehmer hatten anschließend Vermittlungsquoten von 50 bis 60 Prozent."

Daß sich Langzeitarbeitslosigkeit auch auf die psychosomatische Gesundheit auswirken kann, bestätigt Susanne Schunder-Tatzber, ärztliche Leiterin des arbeitsmedizinischen Zentrums beim Roten Kreuz. "Wenn man nicht arbeiten darf, keinen Sinn im Leben mehr sieht, wenn man auf Bewerbungen keine Antwort bekommt und immer wieder abgewiesen wird, kann sich das natürlich in gesundheitlichen Problemen niederschlagen. Dabei ist gerade Selbstvertrauen bei Vorstellungsgesprächen so besonders wichtig."

Beim Roten Kreuz laufen seit einigen Monaten Selbsthilfegruppen für Arbeitslose mit dem Ziel, daß die Teilnehmer Jobs finden, in denen sie - auch mit ihren gesundheitlichen Problemen - bleiben können. Hier ist ebenfalls in der Anfangsphase ein Psychologe eingebunden. Bisher sind schon fünf Gruppen mit je zehn bis zwölf Menschen gelaufen. Die Gruppen treffen sich auch während der Sommermonate. Auch hier ist die Erfolgsquote hoch: 40 bis 50 Prozent der Arbeitslosen finden wieder einen Job, oder zumindest die Chance einer beruflich Neupositionierung. Die Teilnahme ist, wie beim AMS, kostenlos. Das Rote Kreuz finanziert ihre Selbsthilfegruppen ausschließlich durch Spendengelder.

Ein Verein für Arbeitssuchende ab 40, ist der 1994 in Wien gegründete "Verein zum Alten Eisen". Hier werden keine Jobs vermittelt, aber es gibt die Möglichkeit über Sorgen und Erfahrungen zu sprechen, Trost und Rat zu finden. Denn: "waren es vor wenigen Jahren noch die 45jährigen, die als ,zu alt und überqualifiziert' abgelehnt wurden, so sind es heute zum Teil schon die 35jährigen, unabhängig von der beruflichen Ausbildung," meint Renate Brandl, Sekretärin des Vereins. "Wir sind in allen Bundesländern aktiv und treffen uns einmal pro Woche. Dabei stellen wir immer wieder fest, daß der Verlust des früheren Lebensstandards, der sozialen Kontakte und die seelischen Folgen anhaltender Arbeitslosigkeit bei älteren Arbeitssuchenden gewaltige negative Konsequenzen haben." Obmann Karl Zöch: "Eine der Aufgaben unseres Vereins sehe ich darin, immer wieder Gespräche mit Politikern und Vertretern der Wirtschaft zu suchen, in der Hoffnung, etwas bewegen zu können. Auch ältere Menschen wollen Arbeit, sie sind leistungsfähig und leistungsbereit."

Im Auftrag des AMS Wien führt das Berufsförderungsinstitut (bfi) zwei Projekte speziell für Langzeitarbeitslose durch. Trägerorganisationen des bfi, der größten Einrichtung zur Erwachsenenbildung in Wien, sind die Arbeiterkammer und der Österreichische Gewerkschaftsbund.

Der "Ressourcenpool des bfi Wien" hilft mit gezieltem Bewerbungstraining bei der Arbeitssuche. Von den 1.046 Personen (mit einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 16 Monaten), die 1997 den "Pool" in Anspruch nahmen, fanden 68 Prozent einen Arbeitsplatz.

Wohnung renovieren Ebenfalls im Auftrag des AMS besteht am bfi seit rund zwei Jahren das Projekt "Soziale Orientierung durch Arbeitsplatzsuche" (S.O.D.A.). Die Teilnehmer sind seit mindestens vier Jahren ohne Arbeit. Bisher nahmen rund 320 Personen am Projekt teil, ein Drittel fand im Anschluß daran eine neue Stelle.

Der sozialökonomische Beschäftigungsbetrieb "Der Würfel" wurde 1990 gegründet und ist seit September 1997 in Trägerschaft der Volkshilfe. Im Rahmen von befristeten Dienstverhältnissen wird Erwachsenen zwischen 19 und 45 Jahren beispielsweise durch den Verkauf von Second-Handware, Wohnungsrenovierungen und Übersiedlungstransporten die Möglichkeit geboten, sich in einer Arbeitssituation zu stabilisieren und fachlich weiterzubilden.

Eine Stelle für arbeitlose Jugendliche ist das Zentrum "Lernstatt". Es wird Beratung und Betreuung für sämtliche Bereiche der Arbeitslosigkeit angeboten. "Amanda's Matz" heißt eine Anlaufstelle für Mädchen und Frauen Trägerverein ist das "Jugendzentrum der Stadt Wien".

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