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Moralische Aufrüstung

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Fast auf den Tag genau vor einem Jahr endete ein für Österreich bis dahin neuartiges Kursprojekt mit Langzeitarbeitslosen.

Im Auftrag des Landesarbeitsamtes Oberösterreich und des Berufsförderungsinstituts (BFI) gestaltete das Betriebsseminar Linz einen siebenwöchigen Kurs mit Personen, die bereits mehr als ein halbes Jahr ohne Arbeit waren und aus ganz verschiedenen, zum größten Teil in der eigenen Persönlichkeit liegenden Gründen als schwer vermittelbar galten.

Sowohl Auftraggeber, für die das Kursmodell mangels inländischer Vorbilder so etwas wie ei nen Sprung ins kalte Wasser bedeutete, als auch die Veranstalter selbst bezeichnen den Versuch heute als überaus gelungen.

Nicht nur, daß von den zehn Teilnehmern in der Zwischenzeit sechs einen Dauerarbeitsplatz gefunden haben, wie der Leiter des Landesarbeitsamtes und Mentor des Versuches, Heinz Sprenger, berichtet.

Auch die beiden Initiatoren und Erwachsenenbildner im Betriebsseminar, Annemarie Aufreiter und Rosemarie Kurka, glauben, daß unabhängig von der direkten arbeitsmarktpolitischen Wirksamkeit (sprich: Dauervermittlung von Langzeitarbeitslosen) alle Teilnehmer deutlich sichtbare Fortschritte in ihrer persönlichen Entwicklung gemacht haben.

Schon im Herbst 1979 entstand im Betriebsseminar, einem gesamtösterreichischen Bildungshaus der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmer- und Betriebspa-storal (dazu gehören u. a. Kath. Arbeiterjugend und Kath. Arbeitnehmerbewegung Österreichs) die Idee eines Bildungsangebots für Arbeitslose. Bis Mai 1980 wurde ein erstes Konzept diskutiert und erarbeitet, dann Vorgespräche mit dem Landesarbeitsamt eingeleitet.

Dabei mußte die ursprünglich geplante Kursdauer aus finanziellen Gründen von vier Monaten auf zunächst zehn, später noch einmal auf sieben Wochen reduziert werden. Zudem blieb das Seminar wegen der Länderkompetenz in Fragen der Arbeitsmarktförderung auf den Raum Oberösterreich beschränkt.

Im Dezember 1980 schließlich kam die offizielle Genehmigung und die Ausschreibung des Kurses durch das Landesarbeitsamt. Da die Veranstalter auf Freiwilligkeit der Teilnahme bestanden, gestaltete sich die Mativationsar-beit bei den Betroffenen überaus schwierig. Nicht zuletzt aufgrund der vielen negativen Erfahrungen der Arbeitslosen im Umgang mit den Arbeitsmarktbehörden, wie sich im Verlauf des Seminars noch herausstellen sollte.

Mit einer Terminverschiebung um drei Wochen beginnt dann der Kurs am 10. Februar 1981 mit den zehn Teilnehmern, die von 14 angemeldeten übriggeblieben sind. Ein Teilnehmer erscheint mit drei Tagen Verspätung und bricht den Kurs in der fünften Woche wieder ab.

Acht Männer und drei Frauen, im Alter von 28 bis 48 Jahren, in der Mehrzahl alleinstehend, aber auch zwei Verheiratete, mit unterschiedlicher Schul- bzw. Ausbildung und mit einer Arbeitslosigkeitsdauer von sieben Monaten bis zu fünf Jahren, versuchen nun in den nächsten Wochen, ihrem Leben eine Wende zu geben.

Tatsächlich stellt sich schon in der ersten Woche, nach Selbster-fahrungs- und Kommunikationstraining, heraus, daß für die Situation der Arbeitslosen nicht so sehr mangelnde Berufskenntnisse ausschlaggebend sind, sondern Ängste, Unsicherheit, psychische Belastungen und die daraus resultierende, mit der Dauer der Arbeitslosigkeit ständig zunehmende soziale Isolation.

„Die uns bekannten Maßnahmen gegen (längerfristige) Arbeitslosigkeit in Österreich im Rahmen von Umschulungs- und Bildungsmaßnahmen bieten keine umfassende Antwort auf die Situation der Betroffenen", kritisieren die pädagogischen und organisatorischen Betreuerinnen Aufreiter und Kurka in ihrem umfassenden Kursbericht die traditionellen Methoden und Anstrengungen der Behörden.

Zusammen mit dem Psychologen August Thalhammer, der zuvor schon ähnliche Kurse in der Bundesrepublik geleitet hat, arbeitet das Dreier-Team nun mit einem täglichen Arbeitsaufwand von mehr als zwölf Stunden an der moralischen Aufrüstung der Kursteilnehmer, am Abbau von Schuldgefühlen, die die Arbeitslosen sich selbst und der Umwelt gegenüber entwickelt haben.

Am Ende des Kurses arbeiten die Teilnehmer zehn Tage lang in einem Betrieb und absolvieren daneben Bewerbungs- und Vorstellungsbesuche bei möglichen zukünftigen Arbeitgebern.

Das Linzer Modell hat bei allen Betroffenen positive Reaktionen ausgelöst. Im Frühjahr 1983 wird der Kurs, um drei Wochen verlängert, wiederholt.

Interessiert zeigt man sich auch im Sozialministerium. In einem Monat präsentiert der Sozialminister eine umfassende Darstellung des Kursmodells als ersten Band einer neuen Schriftenreihe „Forschungsberichte zur Sozial-und Arbeitsmarktpolitik".

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