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Exoten in Traiskircnen

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„Jeder weiß, wir werden sie weder hinausschmeißen noch hungern lassen — daher nimmt sie uns keiner ab“, sagte ein Beamter des österreichischen Innenministeriums amerikanischen Journalisten, die sich bei ihm über die Zukunft von 755 Indern aus Uganda erkundigten, die noch immer in Österreich festsitzen. Österreich hatte die Inder einerseits mit offenen Armen aufgenommen, wenn auch nicht mit der Absicht, sie für immer zu behalten, anderseits aber mit einem Gulasch aus Schweins- und Kalbfleisch empfangen, das die Moslems (die kein Schweinefleisch essen) ebenso verprellen mußte wie die Hindus (die die Kuh verehren und daher kein Rindfleisch verzehren).

Von den 45.000 Uganda-Asiaten, die Amin aus seinem Land jagte, landeten 1514 in Österreich. (27.000 Besitzer britischer Pässe fanden in

Großbritannien Aufnahme, Kanada nahm 6000 auf, Indien, das nicht gerade zu ihren ersehnten Reisezielen zählt, ebenfalls 6000, und die USA ließen ganze 1100 Inder ein. Kleinere Gruppen gelangten nach Norwegen, Schweden und Holland.) Gegenüber den Durchgangsgästen der Alpenrepublik nahmen die anderen Länder eine ähnliche Haltung ein wie gegenüber den Ungarnflüchtlingen von 1956: sie suchten sich aus, welche sie haben wollten, und überließen Österreich den Rest.

Der Rest, meinte man im Innenministerium, werden voraussichtlich 600 „unplazierbare“ Härtefälle sein, die nur Rotkreuzpässe besitzen und denen die anderen Länder, die indische Flüchtlinge aufnehmen, nicht zutrauen, daß sie sich eine eigene Existenz (wenn auch mit öffentlicher Hilfe) aufbauen können. Unter ihnen befinden sich nicht nur Mensehen

mit Berufen, die zwar in Uganda gefragt waren, die aber In allen entwickelten Ländern ohancenilos sind, so etwa Aufseher über Ptentagen-arbeiter. In diese Gruppe gehören auch Persorten, die zwar anderwärts Aufnahme fänden, sich aber nicht von ihrer Familie trennen wollen — wobei sie selbst unter Familienangehörigen etwas anderes verstehen als die potentiellen Aufnahmeländer.

Zulfikar Ali Jamal etwa hätte in mehreren Ländern Aufnahme finden können, selbstverständlich mit Frau und Kindern, wollte aber seine Eltern nicht zurücklassen. Während das eine oder andere Land für solche Notfälle noch Verständnis aufbringt, lassen sich die meisten Einwanderungsbehörden nicht davon überzeugen, daß Verwandte, deren Verwandtschaftsverhältnis sich in hierzulande geläufigen Wörtern überhaupt nicht ausdrücken läßt (wie

zum Beispiel „Bruder-Vetter“), nicht auseinandergerissen werden können.

Aus diesem Grund wird Österreich es wohl nicht so leicht haben wie etwa Holland, mit „seinen“ Uganda-Flüchtlingen Beispiele vorbildlicher Flüchtlingsansiedlungs-politik abzuliefern. Holland nahm 300 Ugandaflüchtlinge auf und wendete rund eine Million Dollar dafür auf, jede Familie mit einem möblierten Einfamilienhaus auszustatten und sie in gutbezahlten Stellungen unterzubringen. Doch Österreich wird nicht umhin können, Dauerlösungen für jene anzupeilen, die andere nicht haben wollen, und wir sollten uns dabei, mag es auch nicht allzu populär sein, nicht geizig erweisen. Zumal den Indern durchaus der Ruf erheblicher Anpassungsfähigkeit vorangeht.

Vorerst sitzen 220 dieser Flüchtlinge im Flüchtlingslager Traiskirchen, lesen britische Zeitungen und spielen Karten. Je früher wir beginnen, sie zu integrieren, desto besser. Mit einiger Phantasie (und einigen Subventionsmitteln) sollten sich Tätigkeiten finden lassen, in die sie hineinwachsen können.

Günstig dabei wäre der Umstand, daß Inder in Österreich nicht als „Tschuschen“, sondern als Exoten gelten, demnach von den „Haben Wienern“ und ihren oft nicht viel aufgeschlosseneren Pendants in den Bundesländern nicht abgelehnt werden. Während Inder in England etwa das Ansehen von Türken oder Jugoslawen in Österreich genießen.

des Kreditplafonds, die nur Ausleihungen bis höchstens 37 Prozent der gesamten Einlagen erlaubt.

Mit dem Kreditplafonds kommen vor allem die großen Finanzierungsinstitute und die ausländischen Institute in Österreich immer schwerer zu Rande. So ist auch die fast schon verzweifelt zu nennende Suche nach Einlegern zu erklären. Bei den Finanzierungsinstituten wie den ausländischen Banken sind nämlich die bisher wichtigsten Einlagequellen plötzlich vertrocknet: die Zwischenbankgelder. Gelder also, die eine Bank bei einer anderen zu einem günstigen Zinssatz anlegte. Da aber alle Banken und Sparkassen unter extremen Liquiditätsschwierigkeiten leiden, haben sie auch keine Mittel mehr, die sie außer Haus anlegen könnten. Doch nicht nur die Einlagequellen der ausländischen Institute drohen zu versiegen, auch die großen österreichischen Kreditinstitute müssen, wenn sie auch nur die mögliche Zuwachsrate bei der Kreditvergabe einhalten wollen, neue Quellen erschließen — in der Zeit der extremen Geldknappheit ein Versuch, der mit dem Bohren nach Wasser in einer heißen Wüste zu vergleichen ist. Wenn auch offiziell keine hohen oder höheren Zinsen, als im Habenzinsabkommen vorgesehen sind, bezahlt werden dürfen, scheinen doch Grauer-Markt-Zinsen für Einlagen auch in Österreich gewährt zu werden : 6, 7 und mehr Prozent für kurzfristige Einlagen seien keine Seltenheit mehr, sagte Sparkassenverbandsgeneralsekretär Dr. Sadleder in der letzten Woche.

Anders formulierte es ein hoher Funktionär eines österreichischen Kreditinstituts: „In 25jähriger Tätigkeit im Bankwesen habe ich eine derart verrückte Situation noch nicht erlebt!“

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