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Auszug ins Gelobte Land

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Australien wurde durch die Nachricht befremdet, daß 5000 eingewaaderte Jugoslawen in ihre frühere Heimat zurückkehren wollen. Sie waren zwischen den beiden Weltkriegen von dort geflohen, um Verfolgungen zu entgehen. Mit Staunen wird erörtert, warum so viele Menschen ein Land verlassen, in dem Milch und Honig fließen, in dem sie gute wirtschaftliche Erfolge erlangten, und warum sie dieses sichere Dasein gegen eine ungewisse Zukunft vertauschen. Obwohl bei dieser Aktion unleugbar und ungeJeugnet kommunistische Begeisterung mitspielt, ist sie doch eine schlagende Widerlegung marxistischer Theorien.

Einwanderern winkt in Australien materieller, aber nicht sozialer Erfolg. Sie werden bald wohlhabend. Der ausländische Arbeiter kann gut leben und, wenn er fleißig und sparsam ist, rasch erhebliche Ersparnisse ansammeln und sich selbständig machen. Das gelingt ihm oft besser als dem Einheimischen, den diese Eigenschaften in geringerem TT,5e auszeichnen. Ganze Geschäftszweige sind von Ausländern aus nichtenglischen Gebieten durchsetzt, obwohl sie nur spärlich hereingelassen wurden. Der Gemüsehandel wird vön Italienern, der Restaurationsbetrieb von Griechen beherrscht. Die Zuckerindustrie Queenslands könnte ohne Italiener nicht bestehen. Die Jugoslawen ließen sich zumeist zuerst als Landarbeiter, dann bald als Farmer im leersten der australischen Staaten,

in Westaustralien, nieder. Ein kleinerer Teil ging als Handwerker und Hotelpersonal in die großen Städte und erwarb bald Wohlstand.

Trotz wirtschaftlicher Erfolge, selbst trotz Erwerb der Staatsbürgerschaft, wird der Ein- . wanderer jedoch nur schwer zum Australier.

Er wird immer wieder daran erinnert, daß er ein Fremder ist und bleibt. Nicht von den Behörden, sondern von einem Teil der Bevölkerung. Der Einheimische ist höflich, selbst freundlich gegen den Fremden, aber er gliedert ihn nicht in die Gemeinschaft ein. Bei den Kindern ist es wohl anders. In den Schulen werden sie ohne Unterscheidung behandelt, zeichnen sich dort oft aus, was ohne Neid anerkannt wird. Sie werden auch bald gute Australier.

So wurden die Jugoslawen wohlhabend, in wenigen Jahren sammelten sie größere Vermögen an, als es ihren Vorfahren in mehreren Genentionen gelungen war, aber sie gingen nicht im Volke auf. Sie bildeten nationale Klubs und wurden dann das rechte Publikum für die aus dem neuen Jugoslawien ausstrahlende Propaganda. Deren Zentrum ist die „Slavonic Review“, welche die 19.000 in den verschiedenen slawischen Staaten geborenen Einwohner Australiens — nur 3000 haben die australische Staatsbürgerschaft angenommen — über die Verhältnisse in den slawischen Staaten informieren will. Sie tut das, indem sie alles, was zwischen dem Baltischen Meere und der Adria, von der Oder bis zum Pazifik geschieht, als herrlich, wundervoll, fehlerlos preist, und alles, was außerhalb dieses Gebietes geschieht, als verfehlt, meist verbrecherisch, hinstellt. Die Verläßlich keit ihrer Informationen können Österreicher leicht kontrollieren, wenn das Blatt über d Kärntner Slowenen und ihre Geschichte sich in phantastischen Ziffern und Behauptungen ergeht.

Durch ein so oatsachenfreies Blatt hat ein Teil der "hier lebenden Jugoslawen beschlossen, seinen Besitz zu liquidieren und nach Jugoslawien zurückzukehren. Sie stammen zum erheblichen Teil aus Dalmatien. Die Aktion wurde von einer Flut von Briefen aus Jugoslawien eingeleitet, welche die Verhältnisse in den leuchtendsten Farben schilderten und dringend zur Rückkehr aufforderten. Ein Organisator tauchte auf. der den Rückwanderern alle Arbeit abnahm, die Güter für sie verkaufte, die Umwandlung in Dinar zu einem günstigen Kurse oder in wesentlich größere Grundstücke oder in Anteile von landwirtschaftlichen Kooperativen in Jugoslawien versprach. Er besorgte auch die Schiffspassagen.

Wem nützt und wem schadet diese Aktion? Wenn auch nicht 5000 Jugoslawen zurückkehren werden, wie die Propaganda jubelnd verkündete, weil es soviel Slawen, die aus Jugoslawien stammen, hier gar nicht gibt, so stellen doch jene 100 Familien einen Arbeitswert von mindestens einer halben Million Pfund und einen Besitz von über 100.000 australischen Pfund dar. Die Devisenbehörden, welche für Geschäftsreisen und

Einfuhr von Maschinen und Rohmaterialien eine sehr sparsame Hand haben, haben die Transferierung dieser erheblichen Beträge bewilligt, für die kein Gegenwert ins Land kommt, die den Rubelpool zum Nachteile des Pfundpools stärken. Der Umrechnungskurs verschafft der jugoslawischen Regierung, auch wenn sie eine Prämie gewährt, den Löwenanteil der liquidierten Vermögen. Der Transport selbst verschafft ihr andere Vorteile, da sie auf dem Schiffe der Regierungslinie Passagen berechnet (80 bis 176 australi-/ sehe Pfund, gleich 1100 bis 2450 Schweizer Franken), die denen des viel schöneren und schnelleren Luxusdampfers „Stratheden“ bis zum englischen Hafen nahekommen.

Die Rückwanderer erklären ihren Entschluß damit, daß sie an dem Wiederaufbau Jugoslawiens, wo alles jetzt so wundervoll sei, teilnehmen wollen. Tito hätte schon 3000 Brücken aufgebaut, was während der ganzen Zeit der früheren Herrschaft nicht gelang. Da wollen sie mittun. Dort werden sie die bewunderten Helden der Rückkehr sein. Vįele, besonders die jüngeren, wollen von der Landwirtschaft zur Industrie übergehen oder in landwirtschaftlichen Kooperativen arbeiten, deren Eigentum ihnen als Individualbesitz der Mitglieder, so wie ein Aktienbesitz, hingestellt wird („jeder hat dort 100 Joch“). Kurz, das Motiv vieler Rückwanderer, auch solcher, die die australische Staatsbürgerschaft erworben haben und behalten, ist frischbelebter jugoslawischer Patriotismus. Sie wollen an dem herrlichen Zustande ihrer alten Heimat teilnehmen ...

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