Neuer Name, alte Sehnsucht

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Im Augenblick verweilen: Was heute Wellness oder Selfness leisten soll, war früher das Ziel der Mystik - und kostete keinen Cent.

Das Zauberwort hieß "Cocooning", damals, Anfang der neunziger Jahre, als der Rückzug ins Private in Amerika - und mit Verzögerung auch in Europa - in Mode kam. Aus diesem Kokon schlüpfte schließlich ein verheißungsvoller Schmetterling: die Wellness - die nun schon wieder der "Selfness" weichen muss: "Da, wo Wellness zu kurz greift, fängt Selfness an", behauptet der Trendforscher Matthias Horx. "Wir wollen nicht nur eine ,3-Tage-Wellness-Superdiät' absolvieren, wir wollen unser Ernährungsverhalten generell umstellen. Wir wollen uns nicht mehr nur im Urlaub entspannen, wir wollen auch klüger und kompetenter zurückkommen. Wir wollen nicht einfach nur ,relaxen' (das kann man auch durch das Rauchen einer Zigarette), wir wollen vielmehr besser wissen, was gut für uns ist."

Gut ist jedenfalls, Zeit zu haben für den Augenblick. Ein Bedürfnis, das Wellness (oder Selfness) bestens zu befriedigen scheint. "Wellness ist ein gesellschaftlicher Trend, der die menschliche Sehnsucht nach dem Nunc Stans, dem Aufgehen im Jetzt, erkannt und zum eigenen Steckenpferd gemacht hat", weiß die Grazer Theologin Karin Petter, die 2004 über die Leiblichkeit im Wellness-Diskurs aus feministischer Perspektive promoviert hat. In diesem Ziel seien durchaus Parallelen zur christlichen Mystik erkennbar.

Entmachtete Frauen?

Freilich sei Wellness längst zum Wirtschaftsmarkt geworden und operiere zudem vorwiegend mit dem idealen Frauenkörpertypus. Zwar ziele Wellness - anders als der Fitness-Kult - nicht nur auf die Körperoberfläche, sondern auch auf Geist und Seele ab. Doch die ständig vermittelte Differenz zwischen dem eigenen, mangelhaften Leib und dem schönen, idealen Körper setze sich auch in den Marketing-Botschaften der Wohlfühl-Oasen fort. Wellness sei deshalb angetan, die Machtlosigkeit der Frauen zu fördern, meinte die Theologin auch im Rahmen der letzten Sommerstudientagung der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, die "Wellness" zum Jahresschwerpunkt 2005/06 auserkoren hat.

Gegen diese Ausbeutung - wie auch gegen die Überhöhung des Äußerlichen - helfe laut Petter nur der Respekt für den eigenen, fleischlichen Körper. Tag für Tag. Auch ohne "Cocooning" im Wellness-Resort.

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