Nonnen irritieren die Bischöfe der USA

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Der Dachverband weiblicher Ordensleute in den USA hat sich zu Fragen der Gesellschaftspolitik zu liberal geäußert. Was folgt nun aus dieser Feststellung?

Man staunte nicht schlecht, als im April die katholische Kirche wieder einmal die US-Medien beherrschte: Denn nicht etwa Missbrauchsskandale oder konservative Politiker wie Rick Santorum standen im Blick, sondern die Organisation LCWR (Leadership Conference of Women Religious), die mehr als 80 Prozent der 56000 US-Ordensfrauen repräsentiert.

Dieser Dachverband der weiblichen Ordensleute war durch die Glaubenskongregation - geleitet von US-Kardinal Willliam Levada, der erst kürzlich vom deutschen Bischof Gerhard Ludwig Müller (o.) abgelöst wurde - seit 2010 einer eingehenden Prüfung unterzogen worden. Dem LCWR wird im Abschlussbericht, welcher am 18. April 2012 veröffentlicht wurde, Verbreitung radikal feministischer Thesen, Akzeptanz von Homosexualität und Abtreibung sowie die Forderung nach weiblichen Priestern vorgeworfen. Dies sei nicht mit katholischer Lehre vereinbar, so das Papier.

Die tapfersten Personen

Der Schwestern-Verband hatte auch die umstrittene Gesundheitsreform von Präsident Obama unterstützt, die von den US-Bischöfen vehement abgelehnt wird. Die Organisation wurde nun von der Glaubenskongregation aufgefordert, innerhalb von fünf Jahren ihre Statuten zu überarbeiten und sich wieder auf den Weg der offiziellen Lehre der Kirche zu begeben. Um diese Vorgabe zu erreichen, wurden drei Bischöfe - Peter Sartain, Leonard Blair und Thomas Paprocki - zu Überwachern bestellt. US-Schwestern stehen offenbar seit Längerem im Visier der Glaubenswächter: So wurde erst vor Kurzem Sr. Margret Farley für ihr Buch "Just Love“ heftig kritisiert, weil sie zu liberale Standpunkt in Fragen bezüglich Homosexualität, Masturbation, Verhütung und Wiederheirat von Geschiedenen vertreten hat. Ebenso wurde die Verurteilung der feministischen Theologin Elisabeth Johnson und das Verbot ihrer Bücher an katholischen Lehranstalten erneut wiederholt. Die Maßregelung der LCWR gilt damit der Spitze einer zu liberalen Haltungen im weiblichen US-Klerus. Seit dem Bericht des Vatikans hängt der Haussegen der katholischen Kirche in den Staaten jedenfalls gewaltig schief.

Die Schwestern der LCWR, allen voran deren Präsidentin Sr. Pat Farell, reagierten schockiert auf die Einschätzung ihrer Organisation als "mit schweren lehramtlichen Mängeln behaftete Gruppierung“. Ähnlich äußerte sich auch Sr. Simone Campbell vom katholischen Verband "network“: "Ich bin entsetzt - unsere Haltung gegenüber der Gesundheitsreform war offenbar der Auslöser. Wir haben jedoch keine Lehre der Kirche verletzt, sondern nur Fragen aufgeworfen und Politik interpretiert!“ Die Nonnen erhielten in den USA breite Unterstützung. So betonte Kolumnist Nicholas Kristof: "Nonnen gehören zu den tapfersten, härtesten und verehrungswürdigsten Personen auf der Welt. Sie bekämpfen Unterdrückung, Unrecht und Armut - auch während Bischöfe und Priester die Kirche durch die Missbrauchsskandale in Missgunst gebracht haben.“

Die Ordensfrauen treten weiter öffentlich für ihre Anliegen ein. Sr. Campbell organisierte eine zweiwöchige Bustour quer durch die USA, um auf soziale und politische Missstände hinzuweisen.

Setzt Ludwig die Linie fort?

Während sich die offizielle katholische Kirche in Rom nach einer Anhörung mit Sr. Farell am 12. Juni bedeckt hält, begrüßte diese die Unterredung im Vatikan und betonte, dass das Gespräch offen und problemorientiert verlaufen sei. Man werde nun in der LCWR die weiteren Schritte diskutieren.

Kardinal Levada hatte noch als "Worst Case“ die Neugründung einer alternativen offiziellen Nonnenorganisation in den USA in den Raum gestellt, sollten die liberalen Ansichten der LCWR nicht revidiert werden. Vorerst jedoch bleibt sicherlich abzuwarten, wie der neue Präfekt der Glaubenskongregation, der Deutsche Gerhard Ludwig, an diesem Thema weiterarbeitet.

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