Sant' Egidio

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Ein Gesprächsbuch mit Andrea Riccardi, einem der Gründer von Sant' Egidio, gibt Einblicke in die engagierte Gemeinschaft.

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Ein Gesprächsbuch mit Andrea Riccardi, einem der Gründer von Sant' Egidio, gibt Einblicke in die engagierte Gemeinschaft.

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Im Schicksalsjahr 1968 gegründet, hat sich die in Rom entstandene Basisgemeinschaft Sant'Egidio zu einem "weltweiten Netzwerk sozialer Mystiker" entwickelt: In 40 Ländern sind 15.000 Mitglieder vertreten, auch in Deutschland und Österreich gibt es "Filialen". Für Rom-Pilger und -Reisende ist ein Abstecher nach Trastevere längst nicht nur aus kulinarischen Gründen ein Geheimtipp, sondern weil hier, am Anhang des Reiterstandbilds für Guiseppe Garibaldi, seit Beginn der 70-er Jahre das Zentrum der Gemeinschaft beherbergt ist: in der dem hl. Ägidius (S. Egidio) geweihten Kirche und dem dazugehörigen ehemaligen Karmelitinnenkonvent.

Andrea Riccardi, Jahrgang 1950, war 1968 unter jenen Schülern des Liceo Virgilio, die die Gemeinschaft gegründet haben. Auch er hat damals Gramsci und Marx gelesen und wollte die Welt verändern. Aber er las mit Freunden auch in der Bibel. Diese Lektüre ließ ein anderes Rom wahrnehmen. Abseits der touristischen Sehenswürdigkeiten entdeckte er "versteckte Armut" in den Barackensiedlungen der Vorstädte.

Sie schlossen sich zu einer "Communita" zusammen, Riccardi, gehörte zu den Gründungsmitgliedern. Das Organisieren von Nachhilfeunterricht und Medikamenten, Jobvermittlung und Behördengänge, Essensausgaben und Gottesdienste in Kellern und Garagen standen am Anfang. Von der Kirchenleitung wurden die jungen Idealisten als "außerkirchliche Katholiken" kritisch beobachtet. Der Jesuit Carlo Maria Martini, damals Rektor des Päpstlichen Bibelinstituts, wurde auf sie aufmerksam und blieb ihnen auch nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Mailand verbunden. 1986 wurde die "Egidianer" als Laiengemeinschaft durch den Vatikan kirchenrechtlich anerkannt.

Das erste Engagement außerhalb Roms erfolgte 1975, während der Cholera-Epidemie in Neapel. Seither sind Einsätze in aller Welt dazugekommen. Die Gemeinschaft von S. Egidio hat, was andere nicht haben: Wo die UNO und andere Organisationen als Vermittler kapitulierten, hat sie sich erfolgreich in Krisendiplomatie geübt und politisch Verfeindete zu Friedensgesprächen an einen Tisch gebracht: in Mosambik, Äthiopien, im Nahen Osten, auf dem Balkan, in Ruanda, in Algerien und andernorts.

Mittlerweile ist S. Egidio wiederholt für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden. Die "UNO von Trastevere" ist eine Gemeinschaft, die von einem Geheimnis lebt, und es auch benennt: Die Heilige Schrift und die Liturgie sind ihre Quellen.

Andrea Riccardi gibt in einem, 1996 zuerst auf Französisch erschienenen Gespräch sehr persönlich Auskunft über den eigenen Werdegang und den der Gemeinschaft, welcher der Universitätsprofessor für die Geschichte des Christentums als (gewählter) Präsident vorsteht. "Sant' Egidio" ist ein Markenname, in Rom und in der Welt: der gelungene und immer wieder gelingende Siegeszug christlich geprägter Menschlichkeit.

und Unkompliziertheit auf einem Fleck wirkt erfrischend: Da lebt Kirche!

Sant' Egidio, Rom und die Welt. Gespräch von Jean-Dominique Durand und Regis Ladous. Eos-Verlag, St. Ottilien 1999, 212 Seiten, PB, S 132,-/e 9,59

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