Unbefangen ans Neue Testament

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Das Lebenswerk des evangelischen Neutestamentlers Kurt Niederwimmer.

Die 500-seitige "Theologie des Neuen Testaments" des emeritierten Neutestamentlers der Evangelisch-Theologischen Fakultät Wien darf als Lebenswerk des allseitig gebildeten Polyhistors Kurt Niederwimmer gelten. Das Werk besticht durch profunde Theologie, es ist didaktisch ausgesprochen klug aufgebaut und leicht lesbar (stellenweise bedient sich der Autor des Stils "heiterer Unbefangenheit" - so der Verfasser selbst - und hintergründiger Ironie, was der komplexen Materie durchaus zuträglich ist).

Schon auf den ersten Blick überzeugt die Gliederung in drei große "Bücher": 1. Begründung des christlichen Glaubens, 2. Anfänge der christlichen Theologie und 3. Ausbildung der Großkirche. Klar vermag das erste Buch die dreifache Konstitution des Christentums aufzuweisen; beginnend mit der Verkündigung Jesu, über Ostererfahrung und Christuskult hin zur Erfahrung des Geistes. Der Verkündiger Jesus wird in logischer Entfaltung seiner Worte und Taten - und nicht zuletzt durch seinen Tod und seine Auferstehung - nun selbst zum verkündigten Christus; eine Entwicklung, die sich in der Erfahrung des Geistes fortsetzt und zur Gründung der Kirche führt.

Das zweite Buch widmet sich der Explikation dieses Glaubens in systematisch reflektierten Ansätzen. Dazu zählt Niederwimmer die Theologie des Paulus, das johanneische Schrifttum und den Hebräerbrief. Da die synoptischen Evangelien im strengen Wortsinn noch keine systematisch reflektierte Theologie betreiben, bleiben sie auch völlig unerwähnt - was in einer "Theologie des Neuen Testaments" freilich etwas irritiert. Allerdings werden die in synoptisch-narrativer Theologie enthaltenen Konzepte - wie etwa die christologischen Hoheitstitel - bereits in Buch 1 besprochen.

Das dritte Buch verdeutlicht die Ausformung zur Großkirche, etwa anhand der Entwicklung des kirchlichen Amtes oder in der Ausbildung eines eigenen "frühkatholischen" Selbstverständnisses. Hier folgt der evangelische Theologe Niederwimmer stärker der katholischen Sichtweise. Stellenweise wird seine Darstellung dabei auch einseitig (etwa wenn die heute überwiegend akzeptierte Lesart "Junia" statt "Junias" in Röm 16,7 als "verzweifelte Idee der feministischen Theologie" abgetan wird). Positiv schlägt hier zu Buche, dass es Niederwimmer ausgezeichnet versteht, die Entwicklungslinien neutestamentlicher Theologie hin zur patristischen Zeit aufzuzeigen.

Niederwimmers Werk kann als großartige Gesamtdarstellung neutestamentlicher und frühkirchlicher Theologie gewertet werden, die neben interessanten Perspektiven auch einen unglaublichen Schatz an weiterführenden Details enthält und selbst dem nichtwissenschaftlichen Leser einen leicht verständlichen Zugang zu frühchristlicher Theologie ermöglicht. Auch für den ökumenischen Dialog zwischen Protestanten und Katholiken wird diese Theologie mit Sicherheit eine große Hilfe sein.

Der Autor ist Assistent am Inst. f. Neustestamentl. Bibelwissenschaft der Kath.-Theol. Fakultät in Wien.

THEOLOGIE DES NEUEN TESTAMTENTS Ein Grundriss. Von Kurt Niederwimmer. Evangelischer Presseverband in Österreich, Wien 2003. 509 Seiten, PB, e 29,80

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