Bellen, Poltern, Zwitschern

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Bienen tun es, Vögel tun es, aber auch Elefanten tun es gerne und auf vielfältige Weise: Miteinander kommunizieren.

Die meisten Menschen kennen das Trompeten von Benjamin Blümchen. Dabei ist die Sprache der Elefanten weitaus komplexer. Die schwergewichtigen Rüsseltiere bellen, poltern, schreien etc. Ja, sie können sogar etwas, was nur ganz wenige andere Säugetiere wie etwa Delphine und einige Vögel auch können, nämlich neue Laute dazulernen. So hat im Zoo Basel der afrikanische Elefant Calimero das Zwitschern von zwei weiblichen asiatischen Elefanten angenommen (Anmerkung: Afrikanische Elefanten zwitschern normalerweise nicht). Und Mlaika, eine in Kenia lebende Elefanten-Dame, hat angefangen, die Töne von LKWs zu imitieren. Diese Einsichten kamen für die Scientific Community so überraschend, dass Angela Stöger-Horwath sie 2005 im angesehenen Fachblatt Nature vorstellen durfte. Seit 2006 ist die 32-jährige Bioakustikerin Leiterin des Mammal Communication Lab der Universität Wien und untersucht im Tiergarten Schönbrunn im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts die Sprache von Elefanten.

Beobachten & zuhören

Im Zoo Forschung betreiben zu können, bietet dabei einige Vorteile. So ist es etwa kein Problem, dicht an die Elefanten heranzukommen. Auch lassen sich die Laute leicht dem einen oder anderen Tier zuordnen. Denn in Schönbrunn leben mit Tonga, Drumbo und Mongu derzeit lediglich drei weibliche afrikanische Elefanten. Der vierte Elefant, der Bulle Pambo, wird in einem anderen Gehege gehalten. Auch in der freien Wildbahn sind ausgewachsene Bullen vor allem als Einzelgänger unterwegs. Das macht sie wortkarg. Ronald Lintner, der als Mitarbeiter von Stöger-Horwath seit rund zwei Jahren das kommunikative Verhalten der Dickhäuter studiert, meint dazu: "Mehr als eine Handvoll Laute habe ich von Pambo noch nicht gehört."

Dabei ist der Doktorand ein Zuhörer mit Ausdauer. Oft beginnt er seine Forschungen um sieben Uhr morgens. Denn: "Besucherlärm macht uns Akustikern die Arbeit schwer. Man sieht dann bei der Schallanalyse die oberen Schwingungen nicht mehr." Die frühen Morgenstunden und der späte Nachmittag sind deshalb die besten Zeiten für gute Tonaufnahmen. Und weil manchmal selbst nach einem achtstündigen Arbeitstag kein Laut gefallen ist - in einer Mini-Herde und ganz ohne Kleintiere geht es eben ein wenig unaufgeregter zu und her -, braucht die Forschung vor allem eines: viel Geduld.

Grammatik der Elefanten

Mit der entsprechenden Hartnäckigkeit lässt sich dennoch einiges herausfinden. In einer aktuellen Publikation etwa beschreibt Stöger-Horwath mit internationalen Forschungspartnern, wie verschiedene Lauttypen (es gibt insgesamt deren neun) auf unterschiedliche Weise miteinander kombiniert werden können. Dabei haben die Tiersprachen-Experten versucht, den verschiedenen verbalen Kundgebungen Bedeutungen zuzuordnen. Es zeigte sich, dass viele Laute im Kontext von Protestverhalten stattfanden. Ein Beispiel dafür ist ein Jungtier, das trinken möchte, dabei unterbrochen wird und in der Folge lautstark aufbegehrt. Doch die Tiere reißen nicht nur das Maul auf, um zu meckern. Wenn etwa Familienmitglieder längere Zeit weg waren und wieder zur Gruppe finden, werden sie oft mit einem minutenlangen Trompetenkonzert freudig begrüßt. Die Trompetentöne werden dabei - anders als die meisten anderen Töne - über den Rüssel (und nicht über das Maul) produziert.

Trompeten & Poltern

Ein anderer Lauttyp, der bei diesen Willkommenskonzerten auch von Menschen wahrgenommen werden kann, ist das Poltern. Zumindest die Obertöne des Polterns. Denn der Grundton liegt bei unter 20 Hertz - und ist damit für unsere Ohren nicht zu hören. Doch warum verwenden Elefanten überhaupt solch tiefe Infraschalltöne? Zum einen gibt es eine einfache anatomische Erklärung: Je größer das Volumen des Vokaltraktes, die Körpermasse etc., desto tiefer die Töne. Zum anderen haben die brummigen Äußerungen auch einen unmittelbaren kommunikativen Nutzen: Sie sind über mehrere Kilometer hinweg hörbar. Eine ideale Sache für eine entfernte Kontaktaufnahme, bewegen sich doch die Dickhäuter auf dem weitläufigen Boden der Savanne.

Noch etwas anderes macht das tiefe Poltern zu einem speziellen Laut: Es wird in fast jeder Situation produziert und steht zumeist am Ende des "Satzes". Die Bioakustiker sind deshalb überzeugt, dass diesem Laut eine zentrale grammatische Funktion zukommt: Er bezeichnet das Subjekt. Lintner dazu: "Das Poltern beinhaltet die Personalität. Bei einer großen Gruppe von Elefanten ist es wichtig zu wissen, wer genau von einer Sache betroffen ist." Konkret können Elefanten bis zu hundert Weibchen anhand von ihrem individuellen Poltern erkennen. Dabei kann dieser Lauttyp je nach Situation sehr unterschiedlich klingen.

Friede für Elefant & Mensch

Das Poltern noch besser zu verstehen, ist ein erklärtes Ziel der Bioakustiker. Insbesondere auch weil sie vermuten, dass sich darin ganz spezifische Informationen über Alter und Geschlecht verbergen. Den Poltercode zu knacken, würde gleichzeitig ein Schritt über die Grundlagenforschung hinaus bedeuten. Denn auf diese Weise ließen sich gewisse, Unruhe stiftende Elefanten gezielt orten und vielleicht eine Art Frühwarnsystem für Dörfer entwickeln. In Afrika und Asien kommt es nämlich regelmäßig zu Konflikten zwischen Menschen und Elefanten, weil letztere auf der Suche nach Fressen die Felder von ersteren plündern. In ganz schlimmen Fällen können die Begegnungen zu Todesfällen führen (von Menschen und/oder Elefanten).

Gesellige Schwergewichte

Die zerstörerische Wirkung der Dickhäuter hat freilich nichts mit deren bösartiger Urnatur zu tun. Im Gegenteil: "Elefanten sind hoch soziale Tiere", betont Lintner. Natürlich, die Geselligkeit geht ja so weit, dass sie sich sogar das Zwitschern ihrer asiatischen Verwandten aneignen und mit diesem "Lernen durch Imitation" anzeigen, welcher Familie sie sich zugehörig fühlen. Und wenn sie das Tuckern von Benzinmotoren nachahmen, so lässt sich das als ein zweckfreier und experimenteller Umgang mit verbalen Lauten deuten.

Zweckfreies Experimentieren ist an sich eine zutiefst menschliche Angelegenheit. In diesem Sinne ist der jungen Truppe um Stöger-Horwarth zu wünschen, dass es ihre Untersuchungen der Elefanten-Sprache weiterführen kann. Das aktuelle Projekt (und damit auch das Geld) läuft gerade aus. Ein neuer Forschungsantrag liegt zurzeit beim FWF, dem nationalen Wissenschaftsfonds, und harrt der Begutachtung.

Link:

www.mammal-communication-lab.at

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