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Delphine: Freunde des Menschen

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Das Wissen des Menschen über die Delphine ist wesentlich älter, als man glauben würde. Schon vor über 2.300 Jahren berichtete der griechische Philosoph und Wissenschaftler Aristoteles, daß Delphine Warmblüter sind, Luft atmen und ihre Jungen säugen. Heute verfügen wir zwar über wesentlich mehr Information über die Meeressäuger, die Delphinforschung in der freien Natur steckt aber, so der Zoologe und Delphinforscher Mark Carwardine, immer noch in den Kinderschuhen. In seinem Ruch „Delphine - Riologie, Verbreitung, Reobachtung in freier Wildbahn“ faßt er den Stand des Wissens zusammen. Aber auch Jacques-Yves Cousteau und Yves Paccalet schrieben, nach einem jahrzehntelangen Studium der erstaunlichen Meeresbewohner, ein Buch über sie: „Delphine - Botschafter der Natur“.

Wie nehmen die Delphine ihre Umwelt wahr? Man vermutet, daß die meisten aufgrund der elastischen Linsen ihrer Augen sowohl in der Luft als , auch im Wasser sehr gut sehen, doch Wasser ist viel weniger lichtdurchlässig als Luft. Sie benutzen daher Laute und Echoortung zur Verständigung. Mit I Iilfe von Schallwellen können sie sich ein präzises Bild ihrer Umgebung machen. Theoretisch ähnelt diese Methode dem Echolot der Schiffe, das Schallimpulse aussendet und das zurückkehrende Echo auswertet. „Das von Delphinen verwendete System“, so Carwardine, „ist dagegen so komplex und raffiniert, daß menschliche Sonarexperten schlichtweg sprachlos sind. Die menschliche Technik ist ... im Vergleich nur eine primitive Imitation ... Dieses System ist so effizient, daß Delphine mit Hilfe des Hörvermögens sogar in geräuschvoller Umgebung zwischen zwei beinahe identischen Objekten unterscheiden können. Sie können auch zwei verschiedene Objekte gleichzeitig untersuchen, indem sie von jeder Seite des Kopfes separate Impulse in verschiedenen Winkeln aussenden.“ Das Schwimmen mit Delphinen scheint für Menschen auch deshalb ein so beeindruckendes Erlebnis zu sein, weil man die Klicklaute, die zur Ortung dienen, sowohl hören als auch spüren kann. „Sie lösen“, so der Autor, „eine außerordentlich prickelnde Empfindung aus, als wäre der eigene Körper ein riesiges Trommelfell.“

Am wenigsten weiß man über die Fähigkeit der Delphine, den Geomagnetismus zu erkennen, das heißt, das Magnetfeld der Erde zu „lesen“. Der wichtigste Hinweis darauf stammt von neueren anatomischen Studien, bei denen man in den weichen Geweben über dem Gehirn winzige Kristalle des magnetischen Eisenoxid - Minerals

Magnetit fand. Es wird vermutet, daß sich diese Kristalle am Magnetfeld der Erde orientieren und wie Kompaßnadeln ausrichten. Daher kennen die Tiere immer ihre Schwimmrichtung.

Carwardines Buch ist nicht nur mit wissenschaftlicher Genauigkeit geschrieben, sondern fordert den Leser auch immer wieder auf, sich mit der Haltung des Menschen zum Delphin auseinanderzusetzen. Der Autor be handelt ausführlich den Umgang mit den Tieren und ihren Schutz, sein Buch ist daher nicht zuletzt „Delphintouristen“ wärmstens zu empfehlen. Aber auch Cousteau betont, welche Zumutung die Gefangenschaft für die Delphine bedeutet und daß die Zirkuskunststücke, zu denen man sie zwingt, für sie alles andere als ein Vergnügen darstellen. Die Sterblichkeit in den Wasserzoos ist erschreckend - Zahlen werden geheimgehalten.

Daß die Delphine zu den intelligentesten Lebewesen gehören, ist unbestritten - über alles weitere gehen die Ansichten auseinander. Carwardine: „Manche Forscher vermuten, daß sie zumindest so intelligentwie Menschen seien, während andere glauben, daß sie wahrscheinlich nicht so klug sind, wie wir sie gerne sehen würden.“ Cousteau: „Man weiß, daß dieseTiere sich in zahlreichen Fällen absprechen, bevor sie handeln. Bei der Jagd wählen sie eine Strategie und eine Taktik, die von der Umgebung abhängen. Jedes Tier kennt seine Rolle, seinen Platz und den Augenblick, in dem es einzugreifen hat. Diese Art von Rollenverteilung findet man auch bei den Löwinnen, den Wölfen ... Sehr viel verwirrender sind die Experimente, die der Amerikaner Louis M. Herman und seine Mitarbeiter in Honolulu machen. Sie lassen erahnen, daß die Delphine ein hervorragendes Niveau im Umgang mit ,Ideen' erreichen. Die Versuchstiere sind zwei gefangene Große Tümmler - zwei Weibchen. Die Tümmler verbinden eine bestimmte Gebärde oder einen bestimmten Laut mit einem bestimmten Gegenstand. Sie erwerben schnell ein Vokabular von Verben. Dann verbinden sie beides: ,Suche Frisbee', berühre Korb'. Schließlich verstehen sie Sätze, die bis zu fünf dieser Elemente enthalten: ,Berühre Ball Schwanz suche Korb'. Auf den visuellen Satz ,rechts Frisbee Ball innen' hin trägt Akne den Ball in das Frisbee zu ihrer Rechten.“ Für Cousteau deutet viel darauf hin, daß man bei den Sozialstrukturen der Delphine von einer „Clan-Kultur“ sprechen kann.

Delphine sind lernfähig: In den ostpazifischen Thunfisch-Fanggebieten geraten Unerfahrene leicht in Panik, wenn sie sich in Netzen verfangen. Erfahrene Tiere wissen, daß man sie befreien wird, und warten einfach. Auch wenn die historisch verbürgte Rettung ertrinkender Menschen durch Delphine auf ein Sozialverhalten zurückzuführen ist, das auf die Rettung in Not geratener Artgenossen (selbst unter Einsatz des eigenen Lebens) abzielt, ist das Gefühl der Verbundenheit zwischen Mensch und Delphin jedenfalls uralt. Aber nicht alle Delphine lassen sich dressieren. Anders als der Große Tümmler verweigert der gemeine Delphin jede Zusammenarbeit. In Gefangenschaft stirbt er vor Traurigkeit oder rammt seinen Kopf gegen die Wände des Reckens.

Zwei hervorragende Rildbände, jeder mit einer Fülle großartiger Fotos. Cousteaus Rilder haben noch mehr Tiefe, dafür bietet Carwardine vielleicht noch etwas mehr Information. Wer sich für Delphine interessiert, sollte am besten beide haben.

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