Hanf als Wohltäter für die Welt?

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Die Legalisierungsdiskussion um Cannabis öffnet auch den Blick für die mögliche Nutzung des Hanfs: Als nachhaltiger Rohstoff für Kleidung, Brennstoff und für die Medizin.

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Die Legalisierungsdiskussion um Cannabis öffnet auch den Blick für die mögliche Nutzung des Hanfs: Als nachhaltiger Rohstoff für Kleidung, Brennstoff und für die Medizin.

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Beim Hanfwirt in Hanfthal in der Nähe von Laa an der Thaya ist alles ein bisserl anders. Hier gibt es nicht das landläufige Schweinsbratl oder die Leberknödel auf der Speisekarte. Das Geschmacks-Bewusstsein ist gewissermaßen stark erweitert. Deshalb trinkt man hier sein Bier zum Hanfschnitzel und Hanfbratwürstel, schlürft den Kaffee zum Hanfgugelhupf und verabreicht sich zur Verdauung der Köstlichkeiten einen Hanfschnaps. Hanf ist allgegenwärtig in dem kleinen Ort mit 600 Einwohnern, in dem nachweislich schon vor sechs Jahrtausenden Menschen siedelten. Seit fast neun Jahrhunderten ist der Name Hanfthal überliefert; im flachen Dorfteich wurde der Hanf zur Vorbereitung für die Faserverarbeitung eingeweicht.

Doch das ist lange her. Jahrzehntelang war der Hanf ein verpönter, minderwertiger Stoff, interessant bloß im Räuber- und Gendarmspiel zwischen Drogenfahndern und Kriminellen. Jetzt ist das anders. Der Hanf ist dabei, seine vielfältige Verwendung und seinen Ruf wederzugewinnen - und das nicht nur wenn es um politische Initiativen zur Legalisierung des Cannabis geht.

Das merkt man auch in Hanfthal, wo eine Initiative zur Wiederentdeckung des Hanfs sich überregionale Anerkennung erarbeitet hat. Bei einer Wanderung über den Hanf-Lehrpfad ist an diesem milden Novembernachmittag auch eine Gruppe von Studierenden von der Hochschule für Bodenkultur aus Wien dabei - wie bereits über 1300 Hanf-Interessierte vor ihnen in diesem Jahr. Und sie hören weniger über Drogen als vielmehr über Bodeninhaltsstoffe, Ökologie und Nachhaltigkeit.

Vielfalt des Nutzens

Verantwortlich dafür ist Hanfexperte Johann Schmid, Obmann des Vereins Dorfgemeinschaft Hanfthal. Er wird über Stunden nicht müde, auf die vielen Vorzüge der uralten Nutz- und Heilpflanze hinzuweisen: "Hanf ist ein idealer Biorohstoff, der zur Gänze genutzt werden kann. Er benötigt keine Pflanzenschutzmittel. Durch den hohen und dichten Wuchs erstickt er Unkräuter auf natürliche Weise." Hanf fand seit Jahrtausenden als Nutz- und Heilpflanze Verwendung und nicht nur Johann Schmid sieht sie im Aufwind. "Eine der ältesten Kulturpflanzen der Erde könnte helfen, die Menschen ausreichend mit Kleidung, Papier, Öl, Brennstoff, Nahrung, Baumaterial und vielen Medizinen zu versorgen" - dieses Zitat stammt aus dem Buch "Die Wiederentdeckung der Naturpflanze Hanf" von Jack Herer, einem US-amerikanischen Autor und zweimaligen Präsidentschaftskandidaten für die Grassroots Party.

Tatsächlich ist kaum eine andere Pflanze bekannt, die derart umfassend und vielfältig genutzt werden kann. So wurde in China vor 2000 Jahren die Herstellung von Papier auf Hanfbasis erfunden. Auch Gutenberg-Bibeln wurden auf Hanfpapier gedruckt. Im Schiffsbau war Hanf jahrhundertelang als Rohstoff für die Taue, Seile und Segeln gefragt.

Ein Blick in den "Hanf-Shop" von Hanfthal zeigt, welche breite Palette von Produkten sich aus dieser vielseitigen Nutzpflanze herstellen lässt: von Textilien und Taschen über zahlreiche Lebensmittel bis hin zu Ölen und Pomaden und die schier unerschöpflichen medizinalen Anwendungen. Die Hanfnüsse, das sind die Samen der Pflanze, besitzen hochwertige Inhaltsstoffe, wie die Omega-3-Fettsäuren und die Gamma-Linolensäure mit zahlreichen gesundheitlichen Vorzügen.

Hanfexperte Johann Schmid geht aber noch viel weiter in seinem Lob für den Hanf: "Die Hälfte aller Medikamente könnte man durch Cannabinoide ersetzen, die eine ausgezeichnete vorbeugende oder heilende Wirkung entfalten." Auch wenn das ein wenig übertrieben ist, so hat Hanf als Heilmittel doch eine lange und vielfältige Tradition. Schon vor 5000 Jahren empfahl der chinesische Kaiser Shen Nung Cannabisharz als Heilmittel bei Verstopfung, Gicht, Rheumatismus und Frauenkrankheiten. In Indien spielt Hanf heute noch eine wichtige Rolle in der Ayurveda-Medizin, in Nepal als Schmerzmittel, Schlafmittel und gegen Höhenkrankheit.

"Sünden" einer Kulturpflanze

Bei so vielen positiven Eigenschaften erhebt sich unter den Studierenden die verständliche Frage, weshalb denn diese Pflanze bei uns nicht eine größere Verbreitung und Förderung genießt. Und da kommt der Hanffachmann auf die "Kardinalsünde" der alten Kulturpflanze zu sprechen: "Früher hat man überhaupt nicht entschieden zwischen dem Hanf als Nutzpflanze und als Droge. In Zeiten der Monarchie waren noch 45.000 Hektar mit Hanf bepflanzt, heute sind es in Österreich nur noch etwa 900 Hektar. In den 1930er-Jahren hat man in den USA begonnen, den Hanf als rauschgifthältige Pflanze zu diffamieren, um ihn als Nutzpflanze vom Markt zu verdrängen. Und das hat dann dem Hanf dieses bis heute noch fortdauernde schlechte Image aufgeprägt."

Doch Hanf ist nicht gleich Hanf. Es gibt Cannabis sativa, also die Nutzpflanze, Cannabis indica, der rauschgifthältige Hanf, und Cannabis ruderalis, der ursprüngliche Hanf, der keine wirtschaftliche Bedeutung besitzt. Aus den getrockneten Blüten des Cannabis indica wird das Marihuana hergestellt, aus dem Harz der Pflanze das Haschisch. Für die Nutzpflanze Cannabis sativa gilt das aber nicht. Statt Rausch gibt es hier viel Arbeit und Schweiß auf dem Feld.

Lange Zeit wurde der Hanf mühsam mit der Hand verarbeitet: Die Pflanzen blieben zunächst einige Wochen nach der Ernte auf dem Feld liegen, dann wurden die Stengel händisch geöffnet und die Fasern entnommen. Ende der 1920er-Jahre wurden in den USA Maschinen entwickelt, mit denen man in kürzester Zeit ein bis zwei Tonnen Hanf verarbeiten und die Fasern entnehmen konnte. Damit hatte die Baumwollindustrie ernsthafte Konkurrenz bekommen. Die Hanffaser wurde nun Opfer in einem Wirtschaftskrimi. Denn die chemische Industrie in den USA hatten just in dieser Zeit viele Patente für neuartige Kunstfasern angemeldet. Mit im Boot saß die auf Zellulose aufgebaute Papierindustrie, die ebenfalls durch das Hanfpapier einen enormen wirtschaftlichen Schaden genommen hätte. Es war die Zeit der Prohibition. Nichts leichter, als den Hanf als Rauschgift zu brandmarken und vom Markt zu werfen.

Die Hearst-Kampagne

Führender Kopf dieser Kampagne war der Großindustrielle, Medienmogul und Papierhersteller William Randolph Hearst, einer der einflussreichsten Männer in den Vereinigten Staaten, tatkräftig unterstützt vom Chemiekonzern DuPont. Die zweite wichtige Figur war Harry Jacob Anslinger, leitender Funktionär im "Prohibition Bureau", das für die Einhaltung des Alkoholverbots zuständig war. Diese Lobby arbeitete systematisch über Medien und Film. Cannabis-Konsum mache die Konsumenten - vor allem Latinos und Schwarze - zu Mördern und Vergewaltigern, bis sie schließlich dem Wahnsinn verfallen. Und obendrein mache er die Männer impotent und die Frauen unfruchtbar.

1947 setzte die US-Regierung Anslinger als Vorsitzenden der UN-Drogenkommission ein. 1954 erreichte er, dass die WHO (UN-Weltgesundheitsorganisation) dem Hanf jeglichen therapeutischen Wert absprach, und 1961 verhalf die "Single Convention on Narcotic Drugs" der Prohibition zum internationalen Sieg. Der oberste Drogenjäger von Präsident George Bush, Carlton Turner, behauptete noch 1986, Cannabis mache homosexuell, zerstöre das Immunsystem und verursache deshalb Aids. Das Verbot des Anbaus von Cannabis sativa wurde mittlerweile wieder aufgehoben und paradoxerweise sind es nunmehr gerade US-Bundesstaaten, die den Verkauf von Cannabis indica wieder erlauben (siehe auch Artikel rechts).

Wie stark die Stigmatisierung von Cannabis als Droge noch ist, zeigt auch die gegenwärtige Diskussion in Österreich. Als sich die Partei NEOS kürzlich für eine Freisprache von Cannabis aussprach, gingen die Wellen der Diskussion hoch. Die neue Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser sprach sich sofort gegen die Legalisierung aus, die Grünen legten das Hauptaugenmerk auf die Entkriminalisierung.

Zu erwarten ist ein langer politischer Kampf, der in Hanfthal erwartungsvoll verfolgt wird, wo sich Johann Schmid als Vorreiter einer neuen Kultur sieht, die den Hanf zum nachhaltigen Nutzen der Menschheit wieder in den Mittelpunkt stellt - und das nicht nur auf der Speisekarte und in der Pfanne des Hanfwirts.

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