Schwarzer Afghane statt Opium für den Westen

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Afghanische Landwirte ziehen fragwürdige Konsequenzen aus der Vernichtung von Opiumfeldern # sie bauen jetzt einfach Cannabis in Rekordmengen an.

Bauernschläue ist offensichtlich ein weltweites Phänomen. In Afghanistan beispielsweise betrifft es auch die Drogenbauern. Seit der Vertreibung der Taliban hatten sie immer mehr mit #Eradication-Teams#, offiziellen Mohn-Zerstörungseinheiten auf ihren Feldern zu kämpfen. Bauernschläue ist nun, was ein ehemaliger Opiumbauer zu Protokoll gibt: #Solange Opium angebaut wird, hat die Regierung keine Zeit, sich um den Cannabisanbau zu kümmern.# Gesagt # getan.

Laut den Berichten des United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) bauen afghanische Farmer auf einer Gesamtfläche von 10.000 bis 24.000 Hektar Cannabis an. Aus dem Harz der Pflanzen stellen sie jährlich zwischen 1.500 und 3.500 Tonnen Haschisch her. Damit hat Afghanistan mittlerweile Marokko überholt, lange Zeit größter Erzeuger dieses Rauschmittels. Nach Walter Kemp, Sprecher des UNODC, ist das Land so der weltgrößte Produzent gleich zweier illegaler Drogen geworden: Heroin und Haschisch. In 17 der 34 Provinzen wächst der illegale Hanf.

Neben dem bisher geringen Verfolgungsdruck hat der Cannabisanbau Vorteile für die Landbevölkerung. Pro Hektar können mit Cannabis über 3000 US-Dollar verdient werden. Beim Opium sind es auf der gleichen Fläche zirka 2000 Dollar. Noch dazu kommt eine in Afghanistan grassierende Pilzkrankheit, die zuletzt große Teile der Schlafmohnanpflanzungen vernichtet hat.

Während nach Schätzungen etwa 80 Prozent der Opiumeinnahmen an Händler, Großgrundbesitzer, lokale Machthaber in den Regionen und nach Kabul fließen, bleibt vom Cannabisumsatz mehr Geld bei den Bauern. Sowohl die Taliban als auch korrupte Regierungsbeamte kassieren hier weniger mit.# Während es beim Opium immer wieder Berichte gibt, dass Bauern unter Druck gesetzt werden, das anzupflanzen, konnten wir beim Cannabis so etwas bisher nicht feststellen#, so der UNDOC-Beamte Martin Raithelhuber.

Opium-Netzwerk für Cannabis

Der Handel läuft trotzdem zu großen Teilen über dieselben Netzwerke wie beim Opium. Die Händler kommen in die Dörfer und holen die Drogen direkt beim Bauern.

Gegenüber legalen Produkten ist das, neben den deutlich höheren Einnahmen, ein wichtiger Vorteil. #Für Gemüse zum Beispiel fehlen in Afghanistan häufig die Vermarktungsstrukturen. Der Transport ist schwierig, zum Markt müssen die Farmer manchmal durch unsichere Gegenden fahren.# Im Gegensatz zu Tomaten oder anderem Gemüse ist Cannabis also eine #Cashcrop#, wie Raithelhuber es ausdrückt.

Allein etwa 40.000 Haushalte, das sind etwa 260.000 Menschen, sind in die Cannabiswirtschaft involviert. Dabei ist Hanf, so Raithelhuber, in Afghanistan traditionell weniger akzeptiert als Opium. #Obwohl die Suchtgefahr bekannt war, wurde Opium immer auch als Medizin angesehen.#

Droge auch für Afghanen

Außerdem gab es # vereinfacht ausgedrückt # die Haltung, das Opium geht zum größten Teil in den Westen, das geht uns nichts an, was die Ungläubigen damit machen. Cannabis hingegen galt immer als Droge, die für den Rausch eingenommen wird.#

Cannabis eignet sich auch besonders gut für die afghanische Landwirtschaft. Die Bodenbedingungen sind ähnlich wie beim Schlafmohn, doch der Cannabisanbau ist, so berichtet Christina Oguz vom UNODC in Kabul, noch einfacher als die Opiumkultivierung. Die Pflanze braucht wenig Wasser, wenig Dünger, wenig Aufmerksamkeit. Sie ist nicht krankheitsanfällig und gedeiht mit ihren bis zu 140 Zentimeter langen Wurzeln gut auf den häufig kargen afghanischen Äckern.

Aus diesem Grund wurde Hanf häufig auf ausgelaugten, verhärteten oder versteppten Böden gepflanzt, um die Erde zu lockern und gegebenenfalls für den späteren Anbau anspruchsvollerer Pflanzen wie etwa Getreide vorzubereiten.

Beim Feldanbau ernten die Bauern mehrmals im Jahr. Zwei Hauptprodukte stellen sie aus Cannabis her: Zum einen Marihuana aus den getrockneten Blättern. Wichtiger für die afghanische Produktion ist jedoch das zu Platten oder Blöcken gepresste Harz # das Haschisch.

Die Haupthandelsrouten für Haschisch laufen von Afghanistan nach West- und Zentraleuropa. So taucht auch ein alter Bekannter aus Hippiezeiten wieder häufiger in Europa auf: der Schwarze Afghane. Seinen Namen verdankt er dem Harz, dass so lange geknetet und gepresst wird, bis es seine tiefdunkle, charakteristische Farbe erhält.

Etwa 22,5 Millionen Menschen, schätzt die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Lissabon, konsumieren in Europa jährlich Cannabisprodukte. Und auch regional lohnt sich der Handel zunehmend. In Afghanistans Nachbarländern Iran, Usbekistan, Tadschikistan und China steigt die Nachfrage.

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