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Die vielen Gesichter der Drogensucht

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In Österreich gibt es mehr Alkohol- und Medikamentenabhängige als Rausch-’ giftsüchtige. Ein Wohlstandsübel unse- ‘er Zeit? Leben wir schon in einer Buchtgesellschaft? Wer ist gefährdet, A/er kann wie helfen?

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In Österreich gibt es mehr Alkohol- und Medikamentenabhängige als Rausch-’ giftsüchtige. Ein Wohlstandsübel unse- ‘er Zeit? Leben wir schon in einer Buchtgesellschaft? Wer ist gefährdet, A/er kann wie helfen?

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Wie ein Blitz schlug Mitte 1987 in Österreich die Nachricht ein, daß sieben Jugendliche einer Schulklasse beim gemeinsamen Spritzengebrauch mit AIDS angesteckt wurden. Drogen in unseren Schulhöfen — der Alptraum vieler Eltern wurde Wirklichkeit.

Solche schockierenden Fälle sind bei uns noch selten. Auch die Drogensituation insgesamt ist längst nicht so kraß und brutal wie anderswo. Dennoch beschäftigen Suchtgifte immer stärker die Öffentlichkeit.

Laut Suchtgiftbericht 1987 des Innenministeriums gab es in Österreich 49 Tote und 5.000 An-

zeigen. Weiters wurden 17 Einbrüche in Apotheken registriert sowie 36 Anzeigen wegen Einbruchs in Arztpraxen und pharmazeutische Anstalten. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik wurden 1987 442 Drogentote gezählt (1988: 673), es gab 4.965 Einbrüche. Mehr als eine Tonne harter Drogen beschlagnahmte die Polizei. Laut „Süddeutscher Zeitung“ wird der Drogenumsatz in der Bundesrepublik auf fünf Millionen Mark jährlich geschätzt, die Gewinnspanne der Händler bewegt sich zwischen 40 und 50 Prozent. Weltweit, so lauten UNO-Schätzungen, werden 300 bis 400 Milliarden Dollar pro Jahr umgesetzt.

In Österreich ist der Besitz und Erwerb selbst kleinster Suchtgiftmengen strafbar. Allerdings hat sich bei ims lange vor anderen Staaten der Gedanke feilen statt strafen“ durchgesetzt. Süchtige sind kranke Menschen, betonte auch 1971 das neue Suchtgiftgesetz. Der Grundsatz der Hilfeleistung wurde auch in der Novelle 1980 festgehalten. 1985 wurde das Suchtgiftgesetz neuerlich novelliert. Es differenziert jetzt zwischen dem organisierten Großhandel und den „kleinen“ Konsumenten. Letztere werden als die Opfer der Verführer gesehen, als die Opfer ihrer eigenen Abhän gigkeit mit allen entsetzlichen Konsequenzen. Die Strafobergrenzen für den gewerbsmäßigen und organisierten Großhandel wurden auf 15 beziehungsweise 20 Jahre Freiheitsstrafe angehoben. Daneben drohen hohe Geldstrafen. Wer nur geringe Mengen für den Eigengebrauch besitzt, kann bedingt von der Strafe verschont bleiben, wenn er sich einer freiwilligen Behandlung unterzieht.

Was fällt unter „Suchtgift“? Die österreichische Suchtgiftgesetzgebung basiert - wie in den meisten anderen Staaten auch - auf internationalen Verträgen. Die derzeitige Basis ist die Drogenkonvention aus 1961, in der alle bekannten Drogen taxativ aufgezählt sind. Substanzen — auch wenn sie noch so giftig sind -, die nicht in dieser Liste angeführt Vorkommen, können auch nicht mittels Gesetz der Kontrolle unterworfen werden. Und das eröffnet einen Teufelskreis.

Schon in den sechziger Jahren tauchten neben den klassischen Drogen wie Opium, Heroin, Kokain, Haschisch und Marihuana auch zunehmend (halb-)synthe- tische Drogen auf. Durch chemische Veränderungen wurden und werden bekannte Grundsubstanzen, die in der erwähnten Drogenliste auch festgehalten und registriert sind, so verändert, daß „neue“ Drogen entstehen. Unter Umständen mit einer noch schlimmeren Wirkung. Der Phantasie der Produzenten sind jedenfalls keine Grenzen gesetzt, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitunter aber die Hände gebunden. Ihre Experten hecheln nämlich immer hinter den Erfindern neuer Drogen her. Die WHO beschäftigt sich unablässig mit der Erforschung der Wirkung neuer Substanzen. Stellt sie deren Gefährlichkeit fest, wird die Aufnahme in die Drogenliste vorgeschlagen. Erst dann kann das entsprechende Gift auch bekämpft werden. Allein in der Bundesrepublik wurden im Vorjahr einige Dutzend „Drogenlabors“ ausgehoben.

„Crack“ ist beispielsweise ein Produkt aus dem Labor. Dieser

Stoff ist besonders gefährlich, weil er schnell süchtig macht und den Markt für eine neue Käuferschicht eröffnet hat: Eine Dosis „Crack“ kostet in New York beispielsweise weniger als eine Kinokarte, nämlich fünf Dollar, hieß es kürzlich in einer österreichischen Jugendsendung.

Im Vorjahr fanden auch die heimischen Suchtgiftjäger „Crack“, bis dahin war den Österreichern dieser Stoff nur aus der Literatur bekannt…

Ansonsten, sagt Interpol-Mann Werner Keuth, hängen Österreichs Süchtige noch an den klassischen Stoffen (siehe Kasten). Cannabisprodukte stehen an erster Stelle, gefolgt von Heroin und Kokain. Das zeigt auch die Zahl der Beschlagnahmungen.

International gesehen werden die Märkte derzeit mit Drogen überschwemmt, die Sucht ufert aus, die Drogenmafia steht, Berichten zufolge, vor dem Sprung nach Europa. ■

Bedenken und Befürchtungen schafft aber auch der geplante Binnenmarkt. Beim Wegfall der Grenzen, so wird argumentiert, werden die in manchen Ländern freigegebenen Drogen, wie Haschisch in Spanien und in den Niederlanden, in großen Mengen in die anderen Länder gelangen. In den Niederlanden beispielsweise schreitet die Polizei gegen den Verkauf und Konsum von Mengen bis zu 2,5 Gramm von weichen Drogen nicht mehr ein. Sie können dort wie Zuckerl ausgesucht und konsumiert werden. Härte zeigen die Niederländer hingegen beim Kampf gegen die harten Drogen wie Heroin oder Kokain. Ein höchst umstrittenes Vorgehen.

In Österreich, sagt Ingrid Erlą- cher, Leiterin der Koordinationsstelle für Suchtfragen im Bundeskanzleramt, steht die Freigabe von Drogen jedenfalls nicht zur Debatte. Abgesehen davon wird sie von namhaften Experten vehement abgelehnt.

Aber auch andere Drogen sind ein Übel unserer Zeit. Der Mißbrauch von Alkohol und Medikamenten schafft nicht nur Ärzten zunehmend Kopfzerbrechen.

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