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Wieder die Masche vom „ehrlichen" Bekenntnis

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Die Liberalisierung von Drogen (pardon, Haschisch) wird derzeit wieder diskutiert. Das Nachrichtenmagazin „profil" macht sich dafür stark...

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Die Liberalisierung von Drogen (pardon, Haschisch) wird derzeit wieder diskutiert. Das Nachrichtenmagazin „profil" macht sich dafür stark...

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Man hat es sich etwas kosten lassen: Fünf Redakteure wurden auf die österreichische Prominenz losgelassen mit der Frage: „Haben Sie gehascht?" Zwei Dutzend der 100 Refragten „bekannten offen, Haschisch konsumiert zu haben, andere, die einst hin und wieder einen Joint gedreht hatten, wollten nicht namentlich genannt werden..." Prominenz aus Medien, Politik und Kunst bagatellisiert das Haschen, womit bewiesen scheint, daß Karriere und Haschisch einander nicht ausschließen.

Aber im „verstockten Österreich" unterscheide man immer noch nicht zwischen Hasch und Heroin, zitiert „profil"-Herausgeber Hubertus Czernin Ex-Gesundheitsminister Harald Ettl. Einfach hinterwäldlerisch. Übertriebene Angst vor strafrechtlichen Folgen hindere viele, „ein ehrliches Rekenntnis" abzulegen. Daher habe sich niemand dazu bekannt, jetzt noch „das würzig riechende Genußmittel zu rauchen".

Die „profil"-Masche ist nicht neu. Sie erinnert an die Abtreibungskampagne der siebziger Jahre. Damals haben zahllose prominente Frauen in den Medien bekannt, ihr ungeborenes Kind getötet zu haben. Ein schreckliches Bekenntnis, das auch als heroischer Akt der Wahrhaftigkeit gefeiert wurde und zur Änderung bestehender Gesetze diente. Ja, wenn so viele - noch dazu bekannte - Leute gegen das Gesetz verstoßen, kann es doch nichts taugen. Also weg damit.

Auch die Einführung des holländischen Euthanasie-Gesetzes hat mit demselben Trick gearbeitet: Da gab es zunächst ein „Schwarzbuch", in dem sich Pfleger, Krankenschwestern und Ärzte zu Wort meldeten und „bekannten", daß eine große Zahl von ihnen an der Tötung von Patienten mitgewirkt hatten. Sie verlangten „Entkriminalisierung" und klagten die veralteten und offensichtlich untauglichen Normen an. Man müsse sie abschaffen. Nun, die Sterbehilfe ist mittlerweile in Holland legal.

„profil" setzt also offensichtlich auf eine bewährte Methode: Was die Mehrheit (oder eine qualifizierte Minderheit) tut, kann nicht schlecht sein. Man passe das Recht an. Die smarten Ge-sellschaftsveränderer hüten sich aber schwer davor, wirtschaftliche Tabus anzukratzen, „profil" hätte mit demselben Argument eine Kampagne für die Abschaffung der Einkommensbesteuerung durchführen können. Wieviel Prominenz wird sich wohl schon bei der Steuerhinterziehung hervorgetan haben! Also weg mit der Steuer.

Läge nach diesem Kriterium nicht auch die Legalisierung von Schwarzgeschäften, von Geldwäsche, Reste-chung und Schwarzfahren nahe? Oder die Abschaffung der 0,8 Promille-Grenze beim Autofahren? Wieviele zehntausend Rekenner hätte man da zustande gebracht... Die Reispiele für unsinnige Forderungen ließen sich vermehren.

Ich höre schon den Einwand, Lockerungen auf diesen Gebieten würden das Funktionieren unseres Gemeinwesens in-frage stellen. Stimmt. Aber die Lockerungen bei Pornographie, Abtreibung, Euthanasie und demnächst bei Drogen (pardon, Haschisch) greift auch an die Substanz. Nur sind die verheerenden Wirkungen nicht so unmittelbar sichtbar.

Allerdings: Wieviele gebrochene Existenzen, wieviele gescheiterte Beziehungen haben wir der Abtreibungsseuche zu verdanken! Wieviel Elend beschert die Angst vor Euthanasie möglichen Betroffenen, wieviel psychische Zusammenbrüche jenen, die diese Tötungen ausführen...

Jeder weiß, daß Haschisch für viele ein Einstieg für härtere, zerstörerische Drogen ist (man darf nicht immer nur mit dem Verhalten der Charakterstarken argumentieren). Die Liberalisierung hat sich nirgends bewährt, weder in Holland, noch in der Schweiz. Und Haschisch wird nicht dadurch aufgewertet, daß auch daß der geduldete Alkohol Opfer fordert. Pluralistische Gesellschaften haben keine gemeinsame Wertebasis, der sich der einzelne von selbst verpflichtet fühlt. Was man tun darf und was nicht, wird durch das Recht signalisiert. Wer diesen Anhaltspunkt beseitigt, tut dem Menschen, nichts Gutes.

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