Die richtige Politik gegen Drogen

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Pino Arlacchi, Chef der UN-Drogenbehörde, ist zuversichtlich, die Trendwende in der Drogenkontrolle geschafft zu haben und binnen 10 Jahren das internationale Drogenproblem zu lösen.

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Pino Arlacchi, Chef der UN-Drogenbehörde, ist zuversichtlich, die Trendwende in der Drogenkontrolle geschafft zu haben und binnen 10 Jahren das internationale Drogenproblem zu lösen.

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Wer Pino Arlacchi zum ersten Mal gegenüber steht, kann kaum glauben, es mit dem ranghöchsten Drogenjäger der Welt zu tun zu haben. Wer sich einen Top-agenten, einen gestrengen General oder einen verknöcherten UN-Karrierebeamten vorgestellt hat, wird schnell eines Besseren belehrt. Der oberste Drogenzar der UNO ist ein humorvoller und aufgeschlossener Gesprächspartner, der die Welt nicht nur in Schwarz und Weiß malt.

Bevor er sein Amt antrat, war Arlacchi Soziologieprofessor in Italien, und machte sich als Mafia-Experte einen Namen. Arlacchi stellte sein Expertenwissen auch der italienischen Politik für ihren Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu Verfügung. 1997 bestellte ihn UN-Generalsekretär Kofi Annan zum Direktor der UN-Drogenbehörde UNDCP (United Nations Drug Control Programme), und als solcher leitet er auch das UN-Büro in Wien.

Mit dem gleichen Eifer wie im Kampf gegen die italienische Mafia hat er sein Amt als höchster Drogenjäger der UN begonnen. Bei seinem Amtsantritt 1997 verkündete er, daß der weltweite Kampf gegen die Drogen gewonnen werden könne, und zwar innerhalb der nächsten zehn Jahre. Kernige Aussagen dieser Art brachten ihm große mediale Aufmerksamkeit und einen langen Artikel im Time-Magazine (Titel: "A man with a grand plan"), können sie aber ernst genommen werden?

Wenn man die Ergebnisse des heiligen "War on Drugs", den die USA seit bald einem Jahrhundert gegen Drogen aller Art führt, bilanziert, dann gibt es keinen Grund zur Annahme, daß binnen zehn Jahren das Drogenproblem zu lösen sei. Im Gegenteil, die Globalisierung, der Bedeutungsverlust staatlicher Grenzen und das Zusammenschrumpfen der Welt zu einem einzigen Markt, hat den internationalen Drogenhandel eher noch erleichtert.

Arlacchis Ziel ist nicht die restlose Vernichtung aller verboten Substanzen, was wohl nie gelingen kann, sondern die Beseitigung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Desasters, die der internationale Drogenhandel bewirkt. In der Vergangenheit war der Kampf gegen den internationalen Drogenhandel von gegenseitigen Schuldzuweisungen der betroffenen Ländern geprägt. Die Konsumländer warfen den Erzeugerländern vor, zu wenig gegen den illegalen Drogenanbau zu unternehmen und letztendlich für das Drogenproblem hauptverantwortlich zu sein. Eine wirkliche internationale Zusammenarbeit gab es nicht.

Kein Superagent!

Zweitens wurde der Kampf gegen den Drogenhandel fast ausschließlich mit Strafgesetzbuch oder Militär geführt. Das war keine von Erfolg gekrönte Strategie. Und drittens wurde der Kampf gegen die Drogen von pseudowissenschaftlichen Dogmatikern dominiert, obwohl das allgemeine Wissen über die Zusammenhänge bei Drogenmißbrauch und Drogenhandel sehr beschränkt ist.

Arlacchi sieht sich nicht als Superagent, der Drogenhändler quer über den Globus jagt, sondern vielmehr als Koordinator und Brückenbauer. Bei seiner Rede vor der UN-Generalversammlung betonte er: "Die hohe Medienpräsenz der Themen Drogen, Drogenschmuggel und Geldwäsche verleitet viele zur falschen Annahme, daß es sich dabei um ein wohlbekanntes Problem handelt, das sich nicht lösen läßt. Das Gegenteil ist aber der Fall. Sowohl die Produktion, der Handel und die Produktion von Drogen läuft im Geheimen ab. In weiten Bereichen sind wir auf vage Schätzungen angewiesen. Darüber hinaus sind auch die wenigen Tatsachen, die wir haben, nur schwer vergleichbar. Um effektive globale Strategien gegen den Drogenhandel zu entwickeln, brauchen wir verläßliche Daten und ein gründlicheres Wissen. Dieses Wissen zu sammeln und den Mitgliedsländern zu Verfügung zu stellen, ist eine der Hauptaufgaben unserer Behörde."

Laut World Drug Report, der 1998 von der UNDCP veröffentlicht wurde, soll die Debatte um die Drogenproblematik bewußt von politischen Verzerrungen und Rhetorik frei bleiben. In diesem Sinn wird nicht zu rigoroseren Gesetzen gegen jeglichen Drogenmißbrauch aufgerufen, sondern es werden Alternativen zwischen totaler Prohibition und einer generellen Freigabe aufgezeigt. Die Frage, wie er drakonische Strafen beurteile, die in manchen asiatischen Länder auf das Schmuggeln kleinster Mengen verbotener Drogen stehen, beantwortet Arlacchi damit, daß er kein Freund solcher Maßnahmen sei, und die Todesstrafe in keinem Fall befürworte. Allerdings, das ist seine private Meinung, da es sich dabei um die inneren Angelegenheiten eines Staates handle, die nicht in den Kompetenzbereich der UN-Drogenbehörde fallen.

Entscheidender Wendepunkt in der Drogenpolitik war die Drogen-Sondersitzung der UN-Generalversammlung im Juni 1998. Zum ersten Mal wurde ein Dokument verabschiedet, daß die Verantwortung für das Drogenproblem nicht den Erzeugerländern anlastet, sondern die Reduzierung der Nachfrage als genauso wichtig ansieht. Außerdem macht, laut Arlacchi, die dogmatische Trennung zwischen Hersteller- und Konsumländern heute nur noch bedingt Sinn. "Das Land mit dem größten Heroinkonsum-Problem ist Pakistan, obwohl in Pakistan praktisch kein Opium mehr angebaut wird. Auch in Thailand ist der Heroinkonsum dramatisch gestiegen. Gleichzeitig werden immer mehr synthetische Drogen in Europa und den USA, also in den früheren Konsumländern hergestellt."

Ein Mythos zerstört Trotz dieser Entwicklungen war Arlacchi bei seiner Rede vor der UN-Generalversammlung in diesem Frühling voll Optimismus: "Das Jahr 1998 war wie eine frischer Windstoß in unsere Segeln. Die Mitgliedsländer haben sich verpflichtet bis 2008 konkrete Ziele bei der Verringerung von Angebot und Nachfrage nach Drogen zu erreichen. Außerdem war 1998 sowohl die Produktion wie auch die Nachfrage nach Drogen in vielen wichtigen Ländern rückläufig."

Die wichtigste Entwicklung der vergangenen zehn Jahre war für Arlacchi die Zerstörung des Mythos, daß das organisierte Verbrechen nicht zu besiegen sei. In Italien, in Kolumbien und in vielen anderen Ländern konnte gezeigt werden, daß auch gut organisierte Verbrechensorganisation zu zerschlagen sind, wenn es den politischen Willen dazu gibt.

Ob Arlacchi sein ehrgeiziges Ziel, das Drogenproblem in den nächsten zehn Jahren in den Griff zu bekommen, wirklich erreicht, ist schwer abzuschätzen. In den vergangenen zwei Jahren, in denen er die UN-Drogenbehörde leitet, hat er aber mehr zustande gebracht, als ihm irgend jemand zugetraut hat.

Der Autor ist Journalist in Wien.

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