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Ein vergeblicher Kreuzzug der UNO?

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Zwei Wochen tagte die UNO-Suchtstoff-kommission in Wien, um ihr Drogenkon-trollprogramm zu verbessern. Osteuropa ist neues Hoffnungsgebiet für Drogenhändler aus Übersee. Hauptnutzer von illegalen Lösungsmitteln sind acht- bis 20jährige, von Cannabis und psychotropen Substanzen die 16- bis 35jährigen und von Heroin sowie Kokain die 20- bis 35jährigen.

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Zwei Wochen tagte die UNO-Suchtstoff-kommission in Wien, um ihr Drogenkon-trollprogramm zu verbessern. Osteuropa ist neues Hoffnungsgebiet für Drogenhändler aus Übersee. Hauptnutzer von illegalen Lösungsmitteln sind acht- bis 20jährige, von Cannabis und psychotropen Substanzen die 16- bis 35jährigen und von Heroin sowie Kokain die 20- bis 35jährigen.

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Nicht nur die sogenannten westlichen Werte, auch die Permissivität westlichfreizügiger Gesellschaften dringt ins geistige Vakuum Osteuropas vor. Wie sensible Führer der neuen demokratischen Gebilde des früheren Ostblocks - beispielsweise ein Vaclav Havel - registrieren, wird nicht selten Freiheit mit Willkür und Normlosigkeit verwechselt und als das genuin Westliche angesehen. Das gilt auch für den Drogenbereich.

Österreichs Fachleute geben sich überrascht angesichts der neuen synthetischen Droge „Brown", die aus der Tschechoslowakei stammt. In Schweden wird man jener Polen nicht Herr, die das Land mit Amphetamine* und anderen Aufputschmitteln versorgen. Polen als Amphetaminversorger liegt in Skandinavien hinter den Niederlanden an zweiter Stelle. Ungarn wurde binnen weniger Monate zur Drehscheibe des Rauschgifthandels in Mitteleuropa - mit den allseits bekannten Problemen im Gefolge.

Aus informierten Kreisen ist zu hören, daß der Großraum Budapest und die Orte rund um den Plattensee nicht nur Zentren der Weinseligkeit erholungssüchtiger Deutscher und Österreicher sind, sondern neue Mittelpunkte eines schwunghaften Drogenhandels. Fachleute versichern, daß sich im Vergleich dazu die Probleme mit Zuhältern und Pomo-Video-Produzenten - ebenfalls im illegalen Raum - ' verhältnismäßig klein ausnehmen.

In der neuen ungarischen Drogenszene spie-

len Amerikaner eine wichtige, ja tragende Rolle. In großer Zahl kommen sie unter dem Vorwand, joint ventures anzustreben, ins Land, um den „Stoff vorerst zu verschenken. Erst nach dieser Großzügigkeit entwickelt sich das beinharte Geschäft mit kriminellen Methoden. Die zuständigen ungarischen Stellen wissen um die Probleme, sind aber ohne internationale Hilfe machtlos.

Die Fahnder in Ungarn sind trotzdem nicht ganz erfolglos geblieben. Dem Vernehmen nach füllen sich Ungarns Gefängnisse mit Dealern aus den USA. Die Magyaren haben nur ein Problem, wie sie die des Landes verwiesenen Drogenhändler ein für alle Mal vom Land fernhalten können. Denn Anhal-tung und Abschiebung sind nicht das Problem. Es geht um die Verurteilung der Gesetzesbrecher in den USA. Wieder ist internationale Kooperation gefordert. Aber die auf dem Drogengebiet führende Welt-UnMacht USA sinkt vor diesem Problem in Ohnmacht. George Bush, der ein Erziehungspräsident sein und der US-Jugend neue Wert vermitteln wollte, ist zwar zu einem Drogenkrieg in Kolumbien, nicht aber zu einer Offensive gegen Dealer im eigenen Land bereit. Es bleibt bei verbalen „No drugs"-Kampa-gnen.

Vor vier Jahren hat die UNO auf einer großen Drogentagung in Wien die Vermittlung von Werten durch Kirchen, Schulen, gesellschaftspolitischen Institutionen, auch durch die Politik gefordert, um dem Drogenmißbrauch Herr zu werden. Zusätzlich verlangt eine Konvention verstärktes gemeinsames Vorgehen der Mitgliedstaaten gegen Drogenhandel und -mißbrauch - mit gegenseitiger Unterstützung, Datenaustausch, angeglichenen gesetzlichen Normen zur Bekämpfung von Geldwäscherei.

Vergangene Woche schloß die UNO-Sucht-stoffkommission in Wien ihre 34. Tagung über neue Trends beim Drogenhandel und -mißbrauch ab, auf der neue Wege zur Ein-

dämmung der Nachfrage und Verbesserungen auf dem Gebiet der Drogenkontrolle von Vertretern der 40 Mitgliedstaaten erörtert wurden. Schon die Statistiken sind ein Grundproblem, weil nur 80 UNO-Staaten auf entsprechende Anfragen des Generalsekretariats geantwortet haben; in Europa kamen aus 36 befragten Ländern nur 16 Antworten. Die Drogenhändler werden außerdem zunehmend raffinierter. Es entsteht überhaupt der Eindruck, die internationale Gemeinschaft reagiere nur mehr auf den Ideenreichtum des internationalen Drogenhandels und führe einen eher vergeblichen Kreuzzug.

Obwohl die Suchstoffkommission einen im allgemeinen stabilen oder - mit Ausnahme Afrikas und Lateinamerikas - sogar sinkenden Drogenmißbrauch konstatiert, erschließen sich Drogenhändler immer neue Märkte. „Die sich wandelnde politische Situation in Osteuropa, die entlang der Balkanroute und an neuen Einfalltoren neue Alternativen eröffnet hat, ist eines der Hauptcharakteristika des Drogenhandels in Europa", heißt es im Bericht der Suchtstoffkommission, der darauf verweist, daß auf diesem Kontinent Kokain das Heroin seit 1987 überholt hat.

Die internationale Gemeinschaft sieht sich nicht nur gegenüber Völkerrechtsbrechern herausgefordert, sie muß auch zur Bekämpfung von Drogenmißbrauch, verquickt mit der internationalen Terrorszene und diktatorischen Elementen, gemeinsam handeln. Die UNO steht hier vor neuen Aufgaben, die auch einen Testfall für globale Kooperation darstellen. Denn „die sozialen und wirtschaftlichen Gefahren haben sich in bestimmten Gebieten mit direkter politischer Bedrohung verkoppelt", hält die Suchtstoffkommission fest. „In einigen Ländern befinden sich die demokratischen Institutionen im Belagerungszustand seitens der drogenbedingten Gewalt." Zusammenstehen gegen dies Form der Bedrohung wird wohl auch künftiger Bestandteil der neuen Weltordnung sein müssen.

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