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Vom Hasch zum Heroin
Die einen „fixten" sich ein neues Wundermittel in die Venen und erlebten an Stelle der wohl erhofften Bewußtseinserweiterung eine Verengung für immer. Die anderen begaben sich mit LSD auf den „Trip", doch für die Teilnehmer endete der erwartete psychische Höhenflug mit einem banalen physischen Fenstersturz. Die dritten schließlich wollten gerade mit 200 Ampullen Morphium ins Geschäft einsteigen und wurden verhaftet. Aus dem Tagebuch von Greenwich Village oder Schwabing? Mitnichten. Nur die drei markantesten Suchtgiftfälle innerhalb einer Woche, zugetragen in der Heurigenmetropole mit der konservativen Jugend — in Wien.
Die einen „fixten" sich ein neues Wundermittel in die Venen und erlebten an Stelle der wohl erhofften Bewußtseinserweiterung eine Verengung für immer. Die anderen begaben sich mit LSD auf den „Trip", doch für die Teilnehmer endete der erwartete psychische Höhenflug mit einem banalen physischen Fenstersturz. Die dritten schließlich wollten gerade mit 200 Ampullen Morphium ins Geschäft einsteigen und wurden verhaftet. Aus dem Tagebuch von Greenwich Village oder Schwabing? Mitnichten. Nur die drei markantesten Suchtgiftfälle innerhalb einer Woche, zugetragen in der Heurigenmetropole mit der konservativen Jugend — in Wien.
Ohne allzu großes Aufsehen zu erregen, stiegen die Übertretungen des Suchtgiftgesetzes in österreidi seit rund fünf Jahren beträchtiidi. Lag die Zuwachsrate von 1967 auf 1968 nodi knapp unter 100 Prozent, erhöhte sie sidi von 1968 auf 1969 um etwa 115 Prozent; dann brachte das erste Halbjahr 1970 mit 278 bekannt gewordenen Fällen schon 13 mehr als das ganze Vorjahr. Am Anfang stand das Haschisch, dessen Genuß in Form von Joints — je nach Geschmadc mit viel oder wenig Tabak versetzt — „zur Zeit des Höhepunktes der Gammlerwelle in den Jahren 1966/67 überwiegend von intelligenteren Mensdien bevorzugt wurde", wie man sich in Kreisen der „einschlägigen" Wiener Po-lizeiabteüung erinnert. Es war die Zeit des „Gammlerkönigs" Franz Petrus imd seiner zahlreichen Jünger, eine Epoche, in der am Rande unserer Gesellschaft die Stufen von Theseus-Tempel und Künstlerhaois einem versdiwindenden und den-nodi auffälligen Bruchteil der Ju-
gend als beliebte Meditationsplätze dienten. Sogenannte „Kreider", durchwegs langhaarig und optisch nicht gerade einem Modejoumal entstiegen wirkend, verdienten oft beträchtlidie Summen mit ihren an belebten Kreuzungen Wiens hingemalten Straßenbildern. Dodi die bekanntlich repressive Gesellschaft und vor allem ihre Exekutivbehörden beurteilten diese Neuerscheinim-gen weniger als Kunstwerke, sondern schwankten in der Qualifikation zwischen „Erregung öflentlidien Ärgernisses" und „boshafter Beschädigung fremden Eigentums". Mit Schließung des Cafes „Sport" und immer intensiver werdenden Polizei-und Gerichtßkontakten verloren manche dieser Vertreter einer neuen, bequemer wirkenden Lebensform die Freude an der Wiener Luft und emigrierten — hauptsächlich nach Istanbul.
20 bis 75 Prozent Umsteiger
Während sich Wissensdraftler auf der ganzen Erde nodi darüber streiten, ob der Konsum von Haschisch in den meisten Fällen zu einem Umsteigen auf „schärfere Sadien", wie etwa Opium, Morphiimi, LSD, Mes-kalin, Barbiturate usw. führt, hat die Praxis den diskutierenden Theoretikern schon Hinweise in Hülle und Fülle geliefert. Natürlich gibt es hle-für nidit nur in österreidi kein statistisdies Material; die Experten-sdiätzungen schwanken beträchtlidi.
der Spielraum wird etwa von dem deutschen Professor Joachim Bodi-nik mit „20 bis 75 Prozent Umsteiger" angegeben. Manche Staaten, wie beispielsweise österreidi, animieren geradem zu einem Trip — LSD fäUt nidit unter das Suchtgiftgesetz! Wer jedodi einen „Joint" raucht oder eine Jhelum „durchzieht" (Haschersprache) oder sich die we-sentlidi gefährlidiere „Pumpe gibt" (Fixer-Jargon), macht sidi bereits strafbar.
Traditionsgemäß ist der Schwarzmarkt wesentlidi fiexibler und agiler als der Behördenapparat; was für Österreich in besonderem Maße gilt Zwar nicht für das Suditgift-referat des Wiener Sicherheitsbüros, in dem .ganze vier Beamte Jahre hin-durdi ganze Art>eit leisteten imd die stetig wachsende Zahl ihrer Sudit-giftklienten weitgehend unter Kontrolle halten konnten; audi nidit für die ganzen zwei Beamten des Sozialministeriums, denen die Überwachung aller Apotheken österreidis abliegt und die als „sehr tüchtige Leute mit unheimlicher Routine", so Dr. Hoffmann vom Suchtgiftreferat, bezeichnet werden.
Auf medizinischer Ebene sind in der Prophylaxe sehr sdiwadie Ata-schredcungsversuche unternommen worden, in der Therapeutik Ansätze des guten Willens zu erkennen, wie die Beratungsstelle des Psychiaters Dr. Pemhaupt und der geplante Sandertrakt im Genesungsheim Kalksburg, der für Hascher und Fixer jedoch nur zehn Betten vor-si^t. Allerdings, und das wird in der Öffentlichkeit meist übersehen, gibt es für Mediziner und andere Volksfürsorger trotz aller Sensationsgeschichten über die hierzulande „neuartigen" Suchtmittel keinen Prioritätenstreit. „In österrei-’- stellt der Alkohol nach wie vor das Suchtmittel Nummer eins dar. Er wird leider von breiten Bevölkerungs-sdiiditen stark toleriert und als un-gefährlidi amgesehen, obwohl er das für die Volksgesundheit gefährlichste Suchtmittel ist", meinte Staatssekretär Gertrude Wondradc in einem „FURCHE"-Interview. Sie weiß sidi dabei einer Meinung mit dem Psychiater und Kalksburger Ge-nesungsheimdief Primarius Doktor Kryspin-Exner.
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