Wie Cannabis zur Horrordroge wurde

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Naiv zu glauben, dass es wissenschaftliche Kriterien waren, die zur gängigen Bewertung von Drogen geführt haben. Wie sehr politische und wirtschaftliche Interessen das Bild psychoaktiver Stoffe prägen können, lässt sich anhand von Cannabis gut nachvollziehen. Ein kleiner Rückblick in die USA der 1930er-Jahre: Der ehemalige Eisenbahndetektiv und Militär-Geheimdienstler Harry J. Anslinger wurde 1930 zum Leiter des "Federal Bureau of Narcotics", der obersten Drogenbekämpfungsbehörde der Vereinigten Staaten ernannt - ein Amt, das er stolze 32 Jahre innehaben sollte.

Nachdem das Alkoholverbot in den USA 1933 zurückgenommen wurde, fokussierte Anslinger seine ganzen Kräfte auf die Bekämpfung von Opium und Cannabis. Und das mit den gröbsten Methoden: Marihuana sei ein "Meuchelmörder der Jugend", titelte er in einem Artikel von 1937, der einen Bezug zu den Meuchelmorden der Assassinen herstellte.

Rassistische Motive

Er berichtete von Menschen, die sich unter Cannabis-Einfluss in mörderische Bestien verwandelten, und von Vergewaltigern, die dadurch zu sexuellen Übergriffen animiert wurden. Vor allem "Neger, Hispanics, Filipinos und Unterhaltungskünstler" würden Amerika mit der gefährlichen Droge überschwemmen -ein Bild, das gut für die staatliche Diskriminierung und Überwachung dieser Bevölkerungsgruppen herangezogen werden konnte. "Der Hauptgrund, Marihuana zu verbieten", so Anslinger, "ist sein Effekt auf die degenerierten Rassen".

Seine Kampagne spielte den wirtschaftlichen Interessen der Holz- und Baumwollindustrie in die Hände. Die für die Textil-und Papierherstellung verwendeten Hanffasern waren einem starken Konkurrenzdruck ausgesetzt, der 1935 durch die Erfindung des Nylons noch verstärkt wurde. Mit einem Gesetz zur Besteuerung von Hanf wurden die Hanfprodukte vom Markt verdrängt. Und wer Hanf respektive Cannabis verkaufte, wurde auch gleich mit einer Gefängnisstrafe sanktioniert.

Der Krieg gegen Drogen, den Präsident Richard Nixon Anfang der 1970er-Jahre ausrief, hatte schon 1937 begonnen, konstatiert Peter Cremer-Schaeffer in seinem aktuellen Buch über Cannabis (siehe oben). Ebenso hatte der beliebte Cannabis-Konsum in der jugendlichen Protestbewegung und den subversiven Hippie-Szenen der 1960er-Jahre nicht unbedingt dazu beigetragen, einen nüchternen Blick auf diese Pflanzendroge zu werfen. Dass Cannabis auch heute noch mit den Schatten dieser Bilder behaftet ist, zeigt sich nicht zuletzt in der aktuellen Debatte zum therapeutischen Einsatz von "Medizinalhanf".

Schwieriges Pharma-Marketing

Selbst Pharmafirmen, die Medikamente mit isolierten Cannabis-Wirkstoffen auf den Markt bringen, müssen in ihren Marketing-Strategien ein elegantes "Wording" finden, um nicht an diesem historischen Schatten anzustreifen. Das verdeutlicht, dass im Umgang mit psychoaktiv wirksamen Substanzen noch jede Menge "Hausaufgaben" unerledigt liegen geblieben sind, wie es der Neurophilosoph Thomas Metzinger auf den Punkt gebracht hat. Was das wäre? Rigorose wissenschaftliche Studien -und eine sorgfältige, umfassende Bewertung des Nutzen-Risiko-Profils.

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