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Prüfen, ob umweltverträglich

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Der Semmeringtunnel: Ein Projekt beschäftigt die Höchstgerichte. Was das Verfassungsgericht entschied, wird unterschiedlich interpretiert.

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Der Semmeringtunnel: Ein Projekt beschäftigt die Höchstgerichte. Was das Verfassungsgericht entschied, wird unterschiedlich interpretiert.

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Mehr als zehn Jahre nach „Hainburg” beschäftigt nun wiederum ein heftig umstrittenes Groß-bauprojekt die Höchstgerichte - der Semmering-Tunnel im Landschaftsschutzgebiet „ Rax-Schneeberg”.

Auf steirischer Seite wird derzeit am Sondierstollen gearbeitet, der schließlich als Rettungs- und Begleitstollen dienen soll und damit integrierter Bestandteil des Gesamtprojektes ist. Da für diese Arbeiten keine entsprechenden Verfahren mit Bürgerbeteiligung durchgeführt wurden, hat ein betroffener Vollerwerbsbauer, der eine Gefährdung seiper (für die Landwirtschaft lebensnotwendigen) Wasserquelle fürchtet, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eingebracht.

Dieser wies die Beschwerde mit der Begründung zurück, daß dem Grundeigentümer durch das Eisenbahngesetz ein besonderes Verfahren zur Sicherung seiner Rechte eingeräumt sei, und hielt dementsprechend fest, daß die Fortsetzung der bereits aufgenommenen Arbeiten am Sondierstollen untersagt ist, bis die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde über die Frage, ob der Sondierstollen als Vorarbeit im Sinne des Eisenbahngesetzes angesehen werden kann oder nicht, entschieden hat. %J\J % VxHJl ,

Da die zuständige Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen bis heute keine Entscheidung in dieser Frage getroffen hat, hat nun der Grüne Klub im Parlament Anzeige gegen die rechtswidrigen Arbeiten am Sondierstollen eingebracht, da diese nach wie vor seitens der Hochleistungsstrecken-AG (HLAG) konsenslos fortgesetzt werden.

Auch beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) läuft derzeit ein Verfahren gegen den Semmering-Tunnel. Grund- und Quellenbesitzer haben nämlich gegen den eisenbahnrechtlichen Bescheid des Verkehrsministeriums vom Oktober vergangenen Jahres Beschwerden eingebracht -mit der Begründung, daß die Tras-senverordnung und die Verordnung über die Erklärung der Eisenbahnlinie Gloggnitz-Mürzzuschlag zur I lochleistungsstrecke rechtswidrig sind. Begründung: Nach dem Hochleistungsstreckengesetz wird nämlich.dem Lisenbahnausbau der Vorrang gegenüber dem Streckenneubau gegeben.

Weiters wird in der Beschwerde ins Treffen geführt, daß infolge der Nichtdurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ein schwerer Verfahrensfehler begangen wurde, der wiederum beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zu rügen sein wird. Zur Erklärung: Nach dem (am 1. Jänner 1994 in Kraft getretenen) EWR-Vertrag hätte der Sem-mering-Tunnel einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach der entsprechenden EG-Richtlinie unterworfen werden müssen. Bisher weigerte sich der Verkehrsminister beharrlich, das umstrittene Tunnelprojekt einer UVP zu unterwerfen, weshalb auch die Tunnelgegner nun erwägen, sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu wenden.

Zusätzlich zur Beschwerde gegen den eisenbahnrechtlichen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof stellten die Grund- und Quellenbesitzer auch den Antrag auf aufschiebende Wirkung. Begründung: Durch den Sondierstollen werden die Quellen beeinträchtigt. Der damit verbundene Schaden ist unwiederbringlich und für alle Zukunft nicht mehr wiedergutzumachen.

Der Antrag auf aufschiebende Wirkung wurde vom Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen, wobei sich dieser auf die Darlegungen der belangten Behörde (Verkehrsministerium) und der mitbelangten Behörde (HLAG) stützte und dem Neubau der Semmeringbahnstrecke ein höheres öffentliches Interesse zollte als der Nichtbeeinträchtigung der Quellen, die die gesamte Semmerin-gregion mit Trinkwasser versorgen.

Bemerkenswert am Beschluß des Verfassungsgerichtshofes ist überdies, daß dieser das öffentliche Interesse eines ganzen Bundeslandes -nämlich Niederösterreich - unberücksichtigt ließ. Bekanntlich hat ja der Niederösterreichische Landtag am 7. Oktober 1993 einen Bau- und Planungsstop des Semmering-Tun-nels beschlossen.

Gespannt sein darf man nun auf den Beschluß hinsichtlich der eigentlichen Beschwerde, denn bis heute hat sich der Verfassungsgerichtshof ja mit dieser noch nicht auseinandergesetzt, sondern nur den Antrag auf aufschiebende Wirkung keine Folge gegeben.

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