AliceSchwarzer. - © Foto: Cristina Perincioli

Sabine Derflinger über Alice Schwarzer: „Sie sieht vieles im Bezug zum Leben“

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Nach Johanna Dohnal, der Ikone der österreichischen Frauenbewegung, porträtiert Sabine Derflinger in „Alice Schwarzer“ die deutsche Vorkämpferin für Frauenrechte. Ein Gespräch.

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Nach Johanna Dohnal, der Ikone der österreichischen Frauenbewegung, porträtiert Sabine Derflinger in „Alice Schwarzer“ die deutsche Vorkämpferin für Frauenrechte. Ein Gespräch.

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Sie scheut keine Auseinandersetzung. Dieser Tage ist Alice Schwarzer wieder in aller Munde – ob ihres offenen Briefes an Olaf Scholz gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Gleichzeitig läuft Sabine Derflingers Dokumentarfilm über die Ikone der Frauenbewegung an.

DIE FURCHE: Wie entstand der Wunsch, diesen Film zu machen?
Sabine Derflinger:
Aus der Begegnung mit Alice Schwarzer, die mir für meinen Dokumentarfilm „Die Dohnal“ ein Interview gegeben hat. Ich fand, dass diese Ikone, die so viel für uns Frauen gemacht hat, in einem Film gewürdigt werden sollte, der ihre Geschichte auf die große Leinwand wirft.

DIE FURCHE: Ist Alice Schwarzer, die im Herbst 80 wird, jemand, über den sich schon ein Resümee ziehen lässt?
Derflinger:
Nein. Was ich wollte, ist, Schwarzer mit ihrer Arbeit zu verbinden, über die der Zuschauer dann ihre wichtigsten Anliegen spüren kann. Man sollte auch den Menschen Alice Schwarzer dahinter spüren. Ein Resümee über einen Menschen zu ziehen, würde ich mir nicht zumuten. Ich hatte einen klaren Schwerpunkt: Wie sehr sind Frauen in der Lage, über sich selbst zu bestimmen? Über ihren Körper, ist es ihnen möglich, abzutreiben oder ihren Körper zu verkaufen? Wird er verhüllt oder nicht? Welche Rechte haben Frauen? Diese Fragen in Verbindung mit der Person von Alice Schwarzer zu bringen, das war mein Ansatz bei diesem Film. Ich habe ihn ja nicht allein gemacht, sondern auch neue Blickwinkel forciert: Meine Schnittmeisterin Lisa Geretschläger etwa ist 30 Jahre alt und hat einen ganz anderen Blick auf Schwarzers Arbeit als ich. Das hat den Film befruchtet.

DIE FURCHE: Frau Schwarzer ist jedenfalls eine sehr selbstbestimmte Frau, die sich nicht alles sagen lässt.
Derflinger:
Ich stelle mich auf meine Protagonisten immer sehr genau ein und gebe ihnen den maximalen Raum, beim Spielfilm wie im Dokumentarischen. Natürlich gibt es eine ganz klare Vision von dem, was ich will, und am Ende des Tages bekomme ich das auch. Vielleicht bekommt die Protagonistin das nicht immer mit, aber ich erzwinge ja auch nichts. Schwarzer ist jemand, die gewohnt ist, alles zu kontrollieren, aber am Ende treffe ich Entscheidungen, die für den Film gut sind. Alice hatte beispielsweise keine Lust, für den Film mit dem Auto durch Paris zu fahren. Sie hatte das Gefühl, das wirke touristisch, und sie selbst ist auch nie mit dem Auto durch Paris gefahren. Aber als wir das trotzdem gedreht hatten, hat ihr das sehr gefallen, weil sie merkte, dass man da einen geschlossenen Raum hatte, in dem man gemeinsam unterwegs ist, und draußen zieht die Stadt vorbei. Das gibt eine unglaubliche Dynamik. Wenn man mit jemandem arbeitet und ihm vertraut, dann funktioniert das gut.

DIE FURCHE: Es fällt im Film irgendwann der Satz Schwarzers, dass sie sich schon gern die Tür aufhalten lässt und dass es durchaus Annehmlichkeiten gibt, die sie schätzt. Zugleich auch, dass sie niemand ist, der beim Auto die Reifen selbst wechseln würde. Feminismus ist für sie mehr als das Konglomerat von Klischees, das man im Kopf hat.
Derflinger: Die große Kraft von Alice ist, dass sie die Dinge auf den Punkt bringt, analysiert und durchdenkt. Sie sieht vieles in einem Bezug zum praktischen Leben. Sie ist in diesem Sinne keine Ideologin. Das verbindet mich mit ihr. Ich glaube, der Feminismus der Alice Schwarzer ist einer, bei dem es um Menschenrechte geht, und Menschenrechte sind halt auch Frauenrechte.

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