Frauen Führung - © Foto: iStock/ AzmanL ; Illustration: Rainer Messerklinger

Frauen in Führung: „Es ist schwierig, als erste oben zu sein“

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Gute weibliche und gute männliche Führungskräfte unterscheiden sich kaum voneinander, meint Coachin Sabine Pelzmann. Doch beide müssten zu Beginn ihrer Karriere etwas anderes lernen.

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Gute weibliche und gute männliche Führungskräfte unterscheiden sich kaum voneinander, meint Coachin Sabine Pelzmann. Doch beide müssten zu Beginn ihrer Karriere etwas anderes lernen.

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Sabine Pelzmann arbeitet als Coachin und Unternehmensberaterin in Graz. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen zum Thema Leadership, spezielle Herausforderungen für Frauen und ihren eigenen Karriereweg.

DIE FURCHE: Wir sehen derzeit, dass eine Frau vorbildlich durch die Coronakrise geführt hat: Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern hat geschafft, dass Corona dort kein Thema mehr ist. Was zeichnet sie aus?
Sabine Pelzmann: Jacinda Ardern macht ihre Sache sehr gut. Sie kann ausgezeichnet kommunizieren, ist empathisch und zeigt ihre Gefühle. Außerdem ist ihr Handeln von einer großen Klarheit geprägt, und sie erklärt ihre Entscheidungen in einer gut nachvollziehbaren Form. Dabei gelingt es ihr, selbst in schwierigen Zeiten Zuversicht auszustrahlen. Das zeigt auch, wie Frauen führen. Sie können gut in Beziehung gehen und gut mit Unsicherheit umgehen.

DIE FURCHE: Ex-US-Präsident Donald Trump war aber auch sehr emotional. Brauchen wir nicht gerade in Krisenzeiten Führungspersönlichkeiten wie Sebastian Kurz, die ihre Gefühle unter Verschluss halten?
Pelzmann: Momentan müssen alle – vor allem die politischen Führungskräfte – mit ganz viel Unsicherheit umgehen können. Natürlich brauche ich keine Führungskraft, die weinend vor mir steht. Ich brauche einen Menschen, dem ich glaubwürdig abnehmen kann: Es ist schwer für mich, diese Lockdowns vorzugeben, aber es muss sein. Das Entscheidende ist die Bereitschaft, sich lernend in diese Unsicherheit zu begeben. So wie es auch Angela Merkel formuliert hat: Wir sind alle Lernende.

DIE FURCHE: Damit wäre aber der Diskurs über die Vorteile von männlichen versus weiblichen Führungsqualitäten obsolet ...
Pelzmann: So würde ich es nicht sagen. Ich beobachte speziell in den letzten Jahren, dass Männer ihre Organisation stärker für sich „herrichten“. Kommt ein Mann in eine mächtige Position, schaut er zuerst: Wie gestalte ich das System um, damit es möglichst optimal für mich ist? Das kann zum Beispiel bedeuten, dass er sich sofort jemanden in die eigenen Reihen holt, der ihn in finanziellen Belangen unterstützt. Frauen tun das weniger. Wir sind achtsamer in Bezug darauf, wie das Zusammenspiel bisher gelaufen ist, und „richten“ uns die Organisation nicht sofort „her“.

DIE FURCHE: Sind weibliche Führungskräfte also tendenziell zu passiv?
Pelzmann:
Eher beobachtender mit dem, was da gewachsen ist. Das ist auch etwas, wo wir voneinander lernen können. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Untersuchungen, die sagen, dass sich gute männliche und gute weibliche Führungskräfte nicht wesentlich unterscheiden. In der Praxis zeigt sich, dass aber Männer häufig etwas anderes lernen müssen als Frauen. Frauen müssen ermutigt werden, in den Konflikt zu gehen; Männer sollten üben, zuzuhören und empathisch zu sein. Es geht also für beide Geschlechter darum, reflexiv hinzusehen, wie bin ich so geworden, mit meinem Führungsverhalten – als Frau oder als Mann. Wie wurde ich sozialisiert, und wie kann ich mich weiterentwickeln?

DIE FURCHE: Kommen wir zurück zur Politik: Sehen Sie hinter der Fragmentierung und Spaltung in den westlichen Demokratien – vor allem in den USA, aber auch in Europa – einen neuen Machtkampf zwischen den Geschlechtern?
Pelzmann: Es geht hier eher um die Frage: Wie setze ich etwas durch? Geht’s um demokratische Regeln, um Partizipation und Dialog, oder geht’s darum, mit der Faust auf den Tisch zu hauen? Wir haben in Europa generell das Thema: Wie leben wir Demokratie? Das ist natürlich auch immer eine Frage, die sich jede Führung stellen muss: Gehen wir wirklich in Dialog? Haben wir eine Unternehmenskultur, in der Unterschiede auch thematisiert werden können? Oder geht es einfach um Verunglimpfung des anderen? Ich persönlich denke, dass es gerade jetzt notwendig ist, in den Dialog zu gehen.

DIE FURCHE: Dialogbereitschaft wird aber häufig als Schwäche ausgelegt ...
Pelzmann: Ich empfinde es als Stärke, sich viele Meinungen anzuhören und dann eine Entscheidung zu treffen. Ein großes Thema dabei ist das Kontrollbedürfnis. Halte ich es auch aus, unterschiedliche Meinungen im engsten Führungsteam zu besprechen? Oder habe ich das Gefühl, ich muss andere Zugänge sofort auf die Seite drängen. Es ist höchste Führungsgüte, sich nicht sofort verunsichert oder verletzt zu fühlen.

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