Karwoche 1942 — Karwoche 1945 — Karwoche 1957: Grenzpunkte im Strom der Zeit, der aus der Unendlichkeit kommt und in die Unendlichkeit fließt. Fünfzehn Jahre liegen auf dieser abgesteckten Zeitstrecke! Und über ihrem wechselvollen Lauf, über dem Austausch menschlicher Macht von einer Regierung zur anderen, über dem Aufstieg und Abstieg menschlicher Herrlichkeit und Größe — der Ewige, der Unwandelbare, der HERR aller Herren.Fünfzehn Jahre! Eine große Zeitstrecke im Leben der Sterblichen, weniger als ein Sekundenschlag für den Allmächtigen, von dem der Sänger des 90. Psalms
Sooft ich heute bei Ausrichtung meines Dienstes im Parterre des E-Traktes an der niedrigen und schmalen Zellentür Nr. 40 vorübergehe, stehe ich einen kurzen Augenblick stille. Den Augen aller anderen unsichtbar, leuchtet dort für mich oberhalb der Türschwelle in goldenen Lettern das Wort des Herrn aus der Bergpredigt auf: „Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführet, und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist enge und der Weg ist schmal, der zum Leben führet; und wenige sind ihrer, die ihn finden."Hanns
„In der Freiheit bin ich ein Gefangener gewesen, in der Gefangenschaft bin ich frei geworden nach den Worten des Herrn: So euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei!”Zweimal hat der junge Kommunist Alfred Rabofsky in der neunmonatigen Dauer unserer ständigen Begegnungen in seiner Todeszelle das Wort Jesu Christi im Johannesevangelium, Kapitel 8, Vers 33, ausgesprochen, das erste Mal am Anfang unserer Beziehungen als ein ihm völlig unverständliches und dunkles Wort, das er kopfschüttelnd aus meinem Losungsbüchlein las, das zweite Mal am Ende unseres Beisammenseins, kurz vor
16. Juni 1944. „Sie haben es ja heute gut, Herr Pfarrer”, sprach mich vormittags Oberpfarrer Köck im Gang des Landesgerichtes an. „Bei der heutigen Partie ist kein Evangelischer dabei. Aber die beiden jungen Räuber aus der Leopoldstadt, der Lakosil und der Sobotka, kommen um 18 Uhr an die Reihe.”Mit diesem Seufzer verabschiedete sich der katholische Priester von mir und ließ mich heimwärts ziehen.Lakosil und Sobotka. Die Verbindung dieser beiden Namen klang wie der Titel einer Firma. Und tatsächlich betrieben auch die beiden ein einträgliches Geschäft, nur daß es sich dabei
„Du kannst mir glauben, lieber Bub, daß ich schon mehr Zeit im Landesgericht verbringe als im Geschäft und daß ich mit Zuhilfenahme einiger Bekannter bis hinauf die Verbindung her- gestellt habe, die mir momentan für sehr wichtig erscheint.Und nun zu Kaltschuk! Dieser hat sich als ganz besonderer Kamerad in der Not erwiesen und somit auch manche Tür geöffnet, die uns sonst verschlossen geblieben wäre. So.wurde ich auf seine Veranlassung vom persönlichen Adjutanten des Reichsleiters empfangen, der mir seinerseits auch Hilfe versprach, die in der Form geschah, daß der Reichsleiter
Der Vorsitzende: „Wie heißen Sie?”Der Gefesselte nennt seinen Namen.Der Vorsitzende: „Sie wurden wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt. — Eine Begnadigung ist nicht erfolgt. — Das Urteil wird jetzt vollstreckt.”Mit dieser Frage und den anschließenden drei Sätzen war die knappe Formalität bei jeder Hinrichtung erledigt. Hinter einem Tische stehend, hatte der Volksgerichtshof den zum Tode Verurteilten in einem einfachen Zimmer erwartet. Nicht ließ erkennen, daß es bereits das Vorzimmer des Todes war. Durch eine kleine, schwarze Eisentüre war der Verurteilte,