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RENE MARCIC / ANLIEGEN RICHTERSTAAT

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Unter den österreichischen Staats- und Rechtslehrern zeichnet sich Univ.-Prof. Dr. Renė Marcic durch sein Werk wie durch seine Person aus. Er war von Berufs wegen Journalist, Kämpfer und Anwalt der Presse, der „vierten Gewalt“ im Staate, er ist Ordinarius für Rechts- und Staatsphilosophie und Politische

Wissenschaft an der Universität Salzburg, derzeit ihr Rektor.

Der Weg vom Vorstand einer Redaktion zum Vorstand einer hohen Schule scheint ein Umweg zu sein. Es war ein Umweg im Sinn Doderers: ein „inwärts Vorauslaufen“. Der 1919 in Wien geborene Renė Marcic studierte an der juridischen Fakultät der Universität Zagreb, an der er 1942 promovierte. Nach weiteren Studien in Wien und Salzburg (an der Theologischen Fakultät) trat Marcic 1946 in die Redaktion der „Salzburger Nachrichten“ ein, deren Chefredakteur er 1960 wurde. Ab 1950 leitete er auch die halbmonatlich erscheinende juristische Beilage „Der Staatsbürger“, deren Ziel ein Brückenschlag zwischen den Problemen des Rechtsstaates und juristisch zwar nicht vorgebildeten, aber am Rechtsstaat interessierten Lesern ist. Für Marcic stand diese journalistische Tätigkeit immer in einem Naheverhältnis zur Jurisprudenz, und nach der Habilitation an der juridischen Fakultät der Universität Wien sowie nach der Vertretung von Eric Voegelin auf dem Lehrstuhl für Politische Wissenschaft der

Universität München im Wintersemester 1960/61 wurde er als Ordinarius nach Salzburg an die neugeschaffene philosophische Fakultät berufen.

Die wissenschaftlichen Arbeiten von Marcic sind Legion; hier seien nur genannt: „Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat“, „Das Naturrecht als Grundform der Verfassung", „Verfassung und Verfassungsgericht“, „Recht, Mensch, Kosmos“. Marcic’ großer Wurf ist, daß er die Gestalt des Richters ins Zentrum des Denkens rückt. In seinen Werken hat er — wie Hans Klecatsky formulierte — den Weg zum Richter - Staat nicht etwa als etwas Erwünschtes rechtspolitisch postuliert, sondern als Seiendes ontologisch diagnostiziert. Im Gegensatz zur Mehrheit der Staatsdenker, die sich auf das Verhältnis von Legislative und Exekutive konzentrieren — die Variationen über dieses Thema sind Grundlage der Typologie der Staaten —, reflektiert Marcic über Recht und Staat „sub specie iudicis“. Nach seiner Auffassung nimmt die Verfassungsgerichtsbarkeit heute die Mitte des

Staatslebens ein und schafft das Fundament für eine neue Typologie der Staaten. Er interpretiert den Richterstaat als archetypische Erscheinungsform des Rechtsstaates und stellt immer wieder die Wesensverbundenheit von Recht und Richter heraus. An diesem Punkt trifft er sich mit Kelsen. Der Umstand, daß er, wenn auch auf einem anderen Weg, zur selben Erkenntnis kommt wie der Schöpfer der „Reinen Rechtslehre“, berechtigt Marcic zu der Feststellung, daß bei der „Wiener Schule“ (Kelsen, Merki, Verdroß) der Neukantianismus nur als Methode dominiert, aber nicht „unter die Haut“ gedrungen ist, daß diese Schule in der „aristotelisch-thomasi- schen, fundamentalontologisch orientierten okzidentalen Rechtstradition des vormals Römischen Reiches“ wurzelt. Österreichs Verfassungsordnung — geprägt von dieser Wiener Schule — ist somit nach Marcic eine Art geometrischer Ort der Summe von politischen Ideen und Institutionen des Abendlandes, Hüter und Hort der Tradition des Rechts-1 staates der Menschheit.

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