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Spuk an der Autobahn

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Wenn man von Wien auf der Südautobahn nach Graz fährt, kommt man auf der Höhe von Wiener Neustadt an einer Autobahnraststätte vorbei. Es ist ein Werk von Hundertwasser oder jedenfalls in der sattsam bekannten Hundertwasser-Manier: Ein belangloser Bau, der mit Kacheln bepickt ist, die seine Dürftigkeit auch nicht verbergen können.

Etwa fünfzig Kilometer weiter, in der Nähe des burgenländischen Loipersdorf steht eine Baststätte einsam in einer weiten waldigen Landschaft. Es ist ein Bau, bei dem eine burgenländische Keusche auf die Dimensionen eines oberösterreichischen Vierkanthofs aufgeblasen wurde.

Abermals ein paar Dutzend Kilometer weiter sieht man bei Gleisdorf ein Gebäude, das aus einem kitschigen Märchenbuch entsprungen sein könnte. Mit seinen Türmchen soll es offensichtlich an einen steirischen Schwammerl-wald gemahnen.

Südlich von Graz in Bichtung Klagenfurt bemerkt man dann im Hintergrund so etwas wie einen Gutshof neben der Tankstelle. In Kärnten ist die Autobahnraststätte in der Nähe von Völkermarkt als Burg auf einem Hügel konzipiert. Neuerdings entsteht'bei Zöbern in Niederösterreich hinter der modernen Tankstelle eine Art Schloß mit Zwiebeltürmen.

Der Kontrast mit der modernen Ästhetik der Tankstellen bringt die Lächerlichkeit dieser Häuser erst so recht zum Vorschein.

an fragt sich, was sich die \j i Firma, die diese Werke in . T Ä. Auftrag gibt, eigentlich dabei denkt. Das Land, in dem Otto Wagner und Adolf Loos die moderne Architektur miterfunden haben, und das heute noch durch seine Peichls, Holleins, Bainers, Holzbauers, Abrahams in der ganzen Welt architektonische Marksteine setzt, präsentiert sich an seinen Autobahnen als eine Art architektonisches Disneyland, eine Micky Maus-Welt vermeintlicher Nettigkeit und Bodenständigkeit.

Die Italiener, die auf der Fahrt nach Wien an diesen Bauten vorbeikommen, müssen zur Überzeugung kommen, hinter den Alpen lebten eigenartig verschrobene und infantile Menschen. Die Autofahrer aus Osteuropa, die den italienischen Kulturdenkmälern entgegenstreben, mögen sich denken, da sei der sozialistische Beajjsmus, mit dem sie jahrzehnntelang traktiert wurden, noch besser.

Wahrscheinlich bringen die Bauherrn und Architekten unbewußt oder zynisch den Geistes- und Seelenzustand dieses Landes zum Vorschein. Auf die Widersprüche zwischen den Herausforderungen eines globalen Marktes und den von ihm ausgelösten sozialen Verwerfungen, reagiert man mit der Flucht in eine ersehnte Idylle.

Der neue Bundeskanzler möchte die Österreicher entschlossen in die bevorstehenden Veränderungen und in die Moderne führen.

Der Spuk an den Autobahnen läßt ahnen, wie schwer er es dabei haben wird.

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