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Das Museum für Angewandte Kunst zeigt 600 japanische Holzschnitte.

In seinem Roman "Erzählungen von der vorübergleitenden Welt" schrieb der japanische Autor Asai Ryoi (1610-1681): "Wir leben nur für den Augenblick, wir richten unsere Gedanken auf den Mond, den Schnee, die Kirschblüten und Ahornblätter, wir singen, trinken und vergnügen uns dahingleitend; unberührt von der Aussicht drohender Armut, lassen wir den Mut nicht sinken und halten uns über Wasser wie eine Kürbisflasche, die auf dem Fluss dahingleitet; dies ist die vorübergleitende Welt."

Hier ist einer der frühesten Beweise für die Umdeutung des buddhistischen Begriffs "Ukiyo-e": Mit ihm hatte die buddhistische Philosophie die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit des irdischen Lebens beschrieben. Ukiyo-e: Vorübergleitende Welt. Doch ab dem 17. Jahrhundert wurde Ukiyo-e zum Ausdruck einer Lebenseinstellung ungebundener Sorglosigkeit. Es gab nicht nur eine neue, ungemein populäre Kunst, die Ukiyo-e-Holzschnitte, sondern auch Ukiyo-Mode,-Frisuren,-Romane und sogar-Regenschirme. "Die vorübergleitendene Welt" stand für schick, gewagt und unbekümmert um künftige Folgen. Außerdem bestätigten häufige Feuersbrünste, Erdbeben und Hungersnöte, Restriktionen der Regierung und wirtschaftliche Rückschläge, dass das einzig Gewisse dieser Welt ihre Unbeständigkeit sei.

Vorübergleitende Welt

Der Shogun (wörtlich: Barbaren vernichtender Generalissimo, also eigentlicher Machthaber in Japan, während der Kaiser in Kyoto nur ein Symbol der Einheit war) Tokugawa Ieyasu machte ab 1590 aus einem kleinen Dorf, Edo, eine neue Hauptstadt, das heutige Tokio. Japan schloss sich ab 1639 fast hermetisch gegen westliche Einflüsse ab, jagte etwa die missionierenden Jesuiten aus dem Land und verharrte 200 Jahre lang in innerem Frieden. Die etwa 250 Feudalherren (Daimio) hielt der Shogun unter Kontrolle durch die Verordnung, sich jedes Jahr mindestens vier Monate in Edo aufzuhalten. Geld floss in die neue Stadt, in der nicht, wie am Kaiserhof, der Adel den Ton angab, sondern die in der Klassenhierarchie niedrig stehenden Kaufleute und Händler. Und die wollten sich amüsieren: in Teehäusern, im volkstümlichen Kabuki-Theater, mit den Geishas.

Populäre Massenkunst

Hier kommen die Ukiyo-e-Holzschnitte ins Spiel. Sie konnten als Reklame für ein Kabuki-Schauspiel oder für eine Teehaus-Kurtisane verwendet werden. Sie dienten in populären Romanen als Illustrationen, wurden auf Wände, Säulen, Kisten und Wandschirme geklebt, in Mappen aufbewahrt, auf Fächer aufgezogen, als Andenken verschenkt und weggeworfen, wenn sich die Mode gewandelt hatte. Man konnte sie einzeln oder in Serien kaufen.

Es gab satirische, historische, poetische, pornografische, humorvolle Holzschnitte, die aufwändig hergestellt (schon im 18. Jahrhundert zwölf Farbplatten für ein Bild!), in vielen Farben leuchteten. Die Käufer kamen aus allen Schichten, angefangen von den Bauern, die nach einer Edo-Reise einen billigen illustrierten Roman nach Hause mitnahmen, bis zum Samurai, der sich ergötzte an der Darstellung von seinesgleichen, ertappt auf frischer Tat bei erotischen Genüssen. Wahrscheinlich waren die Ukiyo-e-Holzschnitte beliebter als jede andere zweckfreie japanische Kunstform.

Als die Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts eine Öffnung japanischer Häfen erzwangen - sie wollten eine Zwischenstation auf ihrem Weg nach Indonesien -, verloren die Holzschnitte bei den Japanern allmählich ihre Wertschätzung, spiegelten sie doch ein "rückständiges" Japan. Umso mehr begeisterten sich Europäer und Amerikaner für diese volkstümliche Massenkunst. Monet sammelte japanische Holzschnitte, van Gogh kopierte sie, der Jugendstil ist von ihnen inspiriert.

Das Museum für Angewandte Kunst in Wien besitzt 4.200 Blätter. Sie stammen zum größten Teil aus Privatsammlungen, doch den Grundstein, die ersten Alben, brachte die "k. u. k. österreichisch-ungarische Expedition nach China, Siam und Japan" 1869-1871 nach Wien. 600 vorzüglich restaurierte Holzschnitte zeigt das mak bis 26. März: aus konservatorischen Gründen schwach beleuchtete Bilder, nicht an den Wänden, sondern nach dem Studiersaal-Prinzip in Schaukästen, über die sich der Besucher beugen muss.

Da wimmelt das bunte Treiben in Edo mit seinen Festen; da gibt es Reisebilder der berühmtesten Ansichten Japans (Hokusai hat 100 Ansichten des Berges Fuji geschaffen), da werden weibliche Schönheitsideale kreiert, wie heute bei den Models. Weitere beliebte Themen waren Schauspieler vor und hinter der Bühne; es gab sogar Sterbebilder von Schauspielern, denen nach ihrem Tod ein letztes Mal gehuldigt wurde; Dichter und Helden aus Romanen wurden in Holz geschnitten.

Am Ende steht die Degeneration des Ukiyo-e : Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte die Fotografie die Nachfrage nach Holzschnitten sinken lassen. Als die Japaner Territorium in Korea beanspruchten, kam es zum Krieg mit China (1894/95). In der "Kriegsberichterstattung" fanden Künstler, Holzschneider und Drucker ein letztes Mal Aufgaben: Sie, die bei keiner Kriegshandlung dabei waren, schufen Bilder, in denen Japaner stets als Helden auftreten.

Kein Katalog, dürftige DVD

Nach diesem Marathon verlässt der Besucher taumelnd und schwindlig die Ausstellung. Die Kuratoren schreiben im Vorwort selbst: "600 Bilder sind eine Zumutung." Hoffnungsfroh fragt der Besucher nach dem Katalog. Er bekommt um 29 Euro eine dvd angeboten, deren Textbeiträge dürftig sind. Und er sieht sich - wie in der täglichen Fron - an den Computer gezwungen, statt gemütlich blättern zu dürfen. Eine schlechte Idee, die dvd . Von der Geschmacklosigkeit des Ausstellungstitels "Ukiyo-e Reloaded" ganz zu schweigen.

Ukiyo-e Reloaded

MAK, Stubenring 5, 1010 Wien

www.mak.at

Bis 26. 3. Di 10-24, Mi-So 10-18 Uhr

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