Japanische Inspirationen

Werbung
Werbung
Werbung

Die Kunsthalle Krems zeigt westöstliche Synthesen.

Wie wäre es mit einer Frühlingsfahrt ins japanische Krems? Auf den Hängen der Wachau die blühenden Kirschbäume, in der Kunsthalle Krems die japanische Kirschblüte: Meiji-Kunst der Sammlung Khalili und Japonismus von Van Gogh bis Schiele lautet der schwierige Titel. Dennoch ist Schwellenangst unangebracht. Man kann diese Schau erlesener japanischer Objekte aus Bronze, Porzellan, Keramik, Email Cloisonné, Metall, Lack, bunte Holzschnitte und - gegenübergestellt - japanisch inspirierte westliche Tafelbilder einfach genießen.

Und dann stolpert das Auge plötzlich über eine exquisite Scheußlichkeit, eine Vase, über und über mit Eiszapfen bedeckt, bei der aus einer Vertiefung, wie aus einer Höhle, Eisbären hervortreten. Da wird klar, dass sich zwischen Japan und dem Westen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Globalisierung mit Missverständnissen ereignete.

Die Modernisierung Japans

1854 erzwang der US-Admiral Perry mit seiner Flotte die Öffnung der japanischen Häfen für den Handel. In Japan, das mehr als 200 Jahre in freiwilliger Isolierung verharrt hatte, stürzte 1868 die Militärregierung des Shoguns und ein blutjunger Mann, der 15-jährige Mutsuhito, bekannt unter dem Namen Meiji, bestieg den Thron. Seine Ära der "erleuchteten Regierung" (= Meiji) dauerte 44 Jahre. Er verlegte seinen Hof von Kyoto nach Edo und gab der Stadt den neuen Namen Tokyo. Rasend schnell begann die Modernisierung des Landes. Und Japan nahm bereits 1867 an der Weltausstellung in Paris teil. Industrie-Produkte konnte es noch nicht bieten, dafür im Westen völlig unbekannte Kunst: Wandschirme, Kimonos, Fächer, Schalen, Vasen, Lackdosen, Schwerter …Vincent Van Gogh, Claude Monet und Henry Toulouse Lautrec begeisterten sich für die vielfarbigen japanischen Holzschnitte.

Japans Kunst fasziniert

Die Ausstellung in Krems ist eine Kooperation mit dem Van Gogh Museum in Amsterdam und der Sammlung Khalili. Nasser David Khalili, ein aus dem Iran stammender Jude, begann 1970, die im Westen wenig bekannten und in Japan selbst nicht sehr hoch geschätzten kunsthandwerklichen japanischen Erzeugnisse der Meiji-Zeit zu sammeln; in neun Bänden hat er das Thema wissenschaftlich aufgearbeitet. Von den 2000 Objekten seiner Kollektion hat er für Krems 100 zur Verfügung gestellt. Nachdem in Amsterdam der Schwerpunkt Japan und Van Gogh gezeigt wurde, hat der Direktor der Kunsthalle, Tayfun Belgin, die Auswirkungen der Japan-Mode auf österreichische Künstler hinzugefügt.

Nach der Pariser Weltausstellung geriet Frankreich ins Japan-Fieber. Van Gogh schrieb seinem Bruder Theo, die japanische Druckgrafik mache ihn "glücklich und fröhlich". "Der Japaner zeichnet schnell, sehr schnell, wie der Blitz, denn seine Nerven sind feiner, sein Empfinden schlichter." Woher er das wusste? Er idealisierte, kopierte in Gemälden japanische Holzschnitte, schuf sich in Südfrankreich eine japanische Utopie, indem er sich in Arles wie ein japanischer Mönch kleidete und in seinem ersten Jahr in der Provence unentwegt blühende Pflaumen-, Kirsch- und Mandelbäume malte. Zwei van Gogh-Gemälde mit den entsprechen japanischen Vorbildern sind ein Höhepunkt der Schau.

Wiener Japan-Fieber

Ins Japan-Fieber geriet das Wiener Publikum mit der Weltausstellung des Jahres 1873. Für die Künstler wirkte alles Japanische ungemein anregend, sowohl thematisch als auch durch die ungewohnte Sehweise. Die Darstellung der toten Natur - Blumenarrangements und tote Tiere - war in Japan unbekannt. Umso größerer Beliebtheit erfreute sich das Thema Wasser. Wie sich Egon Schiele von der Großen Woge Hokusais, einem der berühmtesten japanischen Holzschnitte, zu einem Gemälde mit aufschäumendem Wasser anregen ließ, ist atemberaubend. Bereits zwei Jahre nach der Wiener Weltausstellung zeigte Hans Makart eine dralle Wienerin in japanischer Pseudo-Geisha-Aufmachung.

Schrille Missverständnisse

Und damit ist das Thema Missverständnis erreicht. Japanische Haarnadeln in einer Aufsteckfrisur und ein Fächer sind nicht mehr als exotische Zutaten. Geschmackssicherheit war in Japan ebenso wenig garantiert: Der Verkaufserfolg bei den Weltausstellungen in Europa und den USA (27 Millionen Menschen besuchten 1893 die Weltausstellung in Chicago) verführte japanische Künstler zu den Versuchen, sich europäischen Themen - siehe Eisbärenvase - anzunähern. Erst allmählich dämmerte den Meiji-Künstlern, dass die westliche Klientel das Fremde suchte und das sich rasant modernisierende ferne Inselland als ein in Schönheit gefangenes Gebiet betrachtete, das an Traditionen festhielt.

Wer hat mehr gewonnen in diesem globalisierten Kulturaustausch? Auf den ersten Blick die Europäer. Der Japonismus brachte den Verzicht auf die traditionelle europäische Perspektive zugunsten der fernöstlichen Flächigkeit eines Werkes. Klimts Porträt der Adele Bloch-Bauer wäre ohne japanischen Einfluss undenkbar, schuf er doch eine west-östliche Synthese aus einem schönen Frauenkörper und japonisierender Ornamentik in Kleid und Hintergrund. Jugendstil und Art decó verdanken ihre befreiende Wirkung dem außergewöhnlichen japanischen Sinn für künstlerische Vereinfachung. Ist die Behauptung zu hoch gegriffen, dass Japan für die Entwicklung der modernen Kunst ähnlich wichtig war wie die Antike für die Renaissance?

Der zweite Blick in Krems zeugt aber auch von einer Befruchtung japanischer Kunst durch die Europäer, besonders in der damals aufkommenden Fotografie. Ihren Aufschwung beeinflusste u.a. der viele Jahre in Japan ansässige Österreicher Raimund von Stillfried-Ratenicz. Das große Verdienst der Kremser Ausstellung ist ihre Absage an den Eurozentrismus - doch ohne pädagogisch erhobenen Zeigefinger.

Japan

Meiji-Kunst der Sammlung Khalili und Japonismus von Van Gogh bis Schiele

Kunsthalle Krems

Franz-Zeller-Platz 3, 3500 Krems-Stein

www.kusthalle.at

Bis 3. 6. täglich 10-18 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung