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Die Entdeckung Mitteleuropas

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Börsenkrach, drohender Staatsbankrott, der Ruin zahlreicher Bankiers und Industrieller, ein wirtschaftliches Debakel... So hat man lange Zeit das Jahr des „Schwarzen Freitags“, 1873, das Jahr der Wiener Weltausstellung gesehen: eine Vorstellung, die man loswerden wollte. Vermutlich nicht zuletzt aus solchen Motiven heraus beeilte man sich, nach dem großen Brand der Wiener Weltausstellungs-Rotunde dieses „achte Weltwunder“ aus Glas, Eisen und Marmor, das zugleich Symbol für die Wirtschaftskrise war, möglichst rasch abzutragen. Aus der Distanz eines Jahrhunderts bedauern wir diese Demolierung. Denn die Rotunde war eine der prunkvollsten Architekturen der Ringstraßenära, wie Vergleichbares in Wien sonst nie entstanden ist (Paris hat zum Beispiel seine beiden Prachtgebäude, Grand und Petit Palais, erst jüngst wieder für Ausstellungen renoviert).

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Börsenkrach, drohender Staatsbankrott, der Ruin zahlreicher Bankiers und Industrieller, ein wirtschaftliches Debakel... So hat man lange Zeit das Jahr des „Schwarzen Freitags“, 1873, das Jahr der Wiener Weltausstellung gesehen: eine Vorstellung, die man loswerden wollte. Vermutlich nicht zuletzt aus solchen Motiven heraus beeilte man sich, nach dem großen Brand der Wiener Weltausstellungs-Rotunde dieses „achte Weltwunder“ aus Glas, Eisen und Marmor, das zugleich Symbol für die Wirtschaftskrise war, möglichst rasch abzutragen. Aus der Distanz eines Jahrhunderts bedauern wir diese Demolierung. Denn die Rotunde war eine der prunkvollsten Architekturen der Ringstraßenära, wie Vergleichbares in Wien sonst nie entstanden ist (Paris hat zum Beispiel seine beiden Prachtgebäude, Grand und Petit Palais, erst jüngst wieder für Ausstellungen renoviert).

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Aber wir sehen aus der Distanz heute auch 1873 anders: Franz Joseph feierte gerade sein 25jähriges Regierungsjubiläum, Wien lud erstmals zur Weltausstellung ein, legte gerade die Grundsteine für die großen Paläste der Ringstraße: Ein Zeitpunkt ungeheuren technischen Aufschwungs, der wirtschaftlichen Erneuerung, der imponierendsten Bauleistungen.

Gerade diese Wiener Weltausstellung bedeutete aber auch für den gesamten Orient das erste glanzvolle Auftreten in Europa. Speziell für das Kaiserreich Japan, das an dieser Superschau der Wirtschaft, Technik, der Wissenschaften und Künste seinen Aufbruch Ins Industriezeitalter, seine Entdeckung Mitteleuropas, ja seinen allmählichen Aufstieg zur Weltwirtschaftsmacht demonstrierte.

Was könnte also faszinierender sein, als gerade jetzt, in einer Zeit, da wir die Ringstraße „wiederentdecken“, im einst geschmacklich und künstlerisch führenden Ringstraßenmuseum für angewandte Kunst zu zeigen, was Österreich und diese älteste Kunstgewerbesammlung auf dem Kontinent der Beteiligung Japans an der Wiener Weltausstellung verdankt, welche Bestände damals vom weitsichtigen Direktor Rudolph von Eitelberger unter dem

Aspekt der „Anregung für die heimische Kunstindustrie“ erworben wurde.

Das Ergebnis dessen, was der Leiter der Ostasienabteilung, Herbert Fux, nun zusammengetragen hat, zeigt die überaus bunte Eigenwilligkeit, mit der sich Japan hier präsentierte. Eine vielfarbige Palette, teils Originalphotodokumentation, teils Arrangements aus Puppen (für das berühmte „Puppenfest“), Porzellanen, alten Musikinstrumenten, den Resten eines Shogun-Tem-pels (der erst später erworben wurde), Tierbronzen, einer Rüstung, einem Speichermodell (Österreichs Landwirtschaftsschulen wurden für Japans Agrarstudenten Vorbild und Verpflichtung!), kostbaren Goldlackarbeiten usw.

Ihre besonderen Reize hat die Schau natürlich dort, wo Japaner die geistige Auseinandersetzung mit Europa karikieren. Zum Beispiel in Holzschnitten, einem Kampf der japanischen Schirme gegen die Regenschirme, des modernen WC gegen die japanische Toilette, der Sänften gegen die Rikschas ... Oder “wo man über Japans fieberhafte Vorarbeiten berichtet, um bei dieser Monsterschau, einem Politikum der prowestlichen Dynastie Meiji (ab 1868), hervorragend vertreten zu sein. Tatsächlich wurde in allen Winkeln des Reichs das Beste, Qualitätvollste aufgespürt, zusammengetragen, gesammelt. Als Test zeigte man 1872 in Kyoto und Tokio Probeausstellungen. Schließlich wurde sogar der riesige goldene Dachreiter der kaiserlichen Burg von Nagoya nach Wien geschickt: Nur durch einen Zufall blieb dieses kostbarste Stück des Wiener japanischen Pavillons vor dem Untergang mit zahlreichen anderen Objekten im Meer verschont: Als der Delphin nämlich auf das japanische Schiff geladen werden sollte, war er viel zu groß und man mußte erst einen anderen Transporter auftreiben.

In Wien triumphierten übrigens die Japaner dank der Qualität ihrer Kunstindustrie (Weber arbeiteten zum Beispiel vor dem Publikum) und dem Stil ihrer Kunsthandwerker. Man sammelte Preise in und beeinflußte durch die Arbeiten Europas Mode und Kunst so nachhaltig, daß bald in Wien japanische Salons, japanisches Kunstgewerbe, japanische Pinselzeichnungen und Holzschnitte als Geschmackstrumpf galten. Man kann diesen Einfluß selbst im Jugendstil noch spüren. Was aber eigentlich bereits Thema einer eigenen Ausstellung des rührigen Museums auf dem Stubenring wäre.

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