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Ein Österreicher in Japan

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Der 9. Internationale Kongreß für Religionsgeschichte tagte vom 27. August bis 9. September 1958, also volle 14 Tage, in Tokio und Kyoto. In finanzieller Hinsicht wurde mir die Teilnahme durch die Wenner-Green Foundation, New York, in höchst dankenswerter Weise ermöglicht. Besonderen Dank schulde ich für Verständnis und Förderung dem Präsidenten Dr. Paul Fejos. Zur Bestreitung der Aufenthaltskosten in Japan hat in ebenso dankenswerter Weise das Bundesministerium für Unterricht beigetragen. Im Auftrag des Präsidiums der Oesterreichischen Akademie der Wissenschaften hatte ich diese auf dem Kongreß zu vertreten. Eine entsprechende Delegierung war mir auch vom Rektor der Universität, Professor Doktor E. Schenk, zuteil geworden.

Der Kongreß zählte 530 Teilnehmer, 400 Japaner und 130 Ausländer. Von österreichischer Seite nahmen teil und hielten Vorträge: Frau Dr. Erika K a n e k o (geborene Kärntnerin, Absolventin des Institutes für Völkerkunde in Wien, in Japan verheiratet), Dr. P. Mathias E d e r SVD. (aus Abtenau bei Salzburg stammend und Herausgeber der in Tokio erscheinenden „Folklore Studies“), und der Verfasser.

Die Zahl der Vorträge betrug rund hundert. Namentlich die Ausländer bedienten sich zum größten Teil der englischen Sprache, weil diese, wenn nicht von allen, so doch von relativ vielen verstanden wurde. Im Titel dieses Kongresses, hinter dem bekanntlich eine internationale Vereinigung steht, figuriert der Name Religionsgeschichte. Tatsächlich spielten in einer Anzahl von Vorträgen weniger die Geschichte, sondern vielmehr Psychologie, Philosophie und zum Teil auch Theologie eine Rolle. Ich habe mir deshalb den Vorschlag zu machen erlaubt, statt Religionsgeschichte die zutreffendere Bezeichnung Religionswissenschaft zu wählen. Der nächste Kongreß soll 1960 unter Leitung von Professor Dr. Fr. Heiler in Marburg an der Lahn stattfinden. Vielleicht könnte in Zukunft auch wirksamer der Auffassung begegnet werden, daß die Religion eigentlich erst im Rahmen der Hochkulturen zu existieren beginne. Besonders die ethnologisch geschulten Teilnehmer der Tagung glaubten zeitweise einer derartigen Auffassung gegenüberzustehen, die sie natürlich zu beanstanden für nötig fanden.

Hier im einzelnen auf die Vorträge einzugehen, würde natürlich zuweit führen. Vorteilhaft war es, daß von fast allen Vorträgen mehr oder weniger umfassende Resümees vorlagen. Nicht von allen Kongreßteilnehmern wurde es begrüßt, daß die UNESCO an die Verleihung von Reisestipendien die Forderung geknüpft hatte, ein mehrere Tage lang dauerndes Symposium zum Thema „Religionen des Ostens und des Westens“ durchzuführen. Die Abwicklung dieses Sonderprogrammes gestaltete sich teilweise etwas mühsam. Es wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß in Zukunft derartige Bedingungen wohl besser nicht mehr gestellt werden sollten. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß die am Schlüsse des Symposiums formulierten Resolutionen nicht auch gute Gedanken und brauchbare Vorschläge enthielten.

Die Organisation des Kongresses war im übrigen eine gute, sehr gute sogar. In dieser öder jener Hinsicht wurde da, nach Auffassung der „Westler“, vielleicht des Guten etwas zuviel getan. Schön die Dauer von vollen 14 Tagen und dann der Besuch von zahlreichen shintuisti-schen und buddhistischen Tempelanlagen wie auch anderen Sehenswürdigkeiten, woran Japan so reich ist, stellte namentlich an ältere Teilnehmer in rein physischer Hinsicht ziemliche Anforderungen. Es besteht die Absicht, den Kongreßbericht, der auch alle Vorträge in extenso enthalten soll, noch im Jahre 1959 herauszubringen.

Da ich nach dem Kongreß noch sieben weitere Wochen in Japan bleiben konnte, wurde mir Gelegenheit geboten, noch an verschiedenen anderen Stellen, so an den Universitäten von Tokio, Fukuoka (auf der Insel Kyushu im äußersten Süden Japans gelegen) und Nanzaa (Nagoya) zu sprechen. Schließlich folgte noch eine Einladung zur Tagung der mehr als 700 Mitglieder zählenden Ethnologischen Gesellschaft Japans Mitte Oktober in der Universitätsstadt Niigata. Auch bei dieser Gelegenheit hatte ich einen Vortrag zu halten. Es sei ge-' stattet, die Themata meiner in Japan gehaltenen Vorträge anzuführen: „Prophetism and Messianism as a Problem of Ethnology and World History“, „Representation in Art of the Highgod and other Deities in the Religions of Mankind“, „Grundsätzliches und Geschichtliches zur ethnologischen Kulturkreislehre“. Anschließend an die Tagung in Niigata kam es noch zu einer zweitägigen Exkursion zu der dem mittleren Japan vorgelagerten Insel Sado, die in historischer und volkskundlicher Hinsicht außerordentlich viel Interessantes und Lehrreiches zu bieten hat.

Die lebendige Verbindung zwischen der völkerkundlichen Forschung in Wien und Tokio repräsentiert vor allem Professor Dr. Masao Oka, der mehr als zehn Jahre lang in Wien lebte und hier im Jahre 1933 in Völkerkunde das Doktorat erwarb. Professor Oka gilt in Japan als der derzeit einflußreichste Vertreter unserer Wissenschaft, Seine al 4,iebe für. Wiea- besteh. weiter, was sich nicht zuldftS auch“ ikfn .offen“-“ 'bart, daß derzeit wieder zwei seiner Schüler in Wien studieren und sich auf das Doktorat in Völkerkunde an der Universität vorbereiten.

Professor Oka ist es auch gewesen, der vor 20 Jahren den bekannten japanischen Multimillionär, Baron Mitsui, veranlaßt hat, der Wiener Universität den Grundstock einer rund 5000 Bände umfassende Japan-Bibliothek zu schenken. Diese Bibliothek wird vom Dozenten Dr. A. Slawik im Rahmen des Institutes für Völkerkunde betreut. Baron Mitsui, den ich zusammen mit Professor Oka in seinem Heim in Tokio zu besuchen die Gelegenheit hatte, zeigte sich für die Entwicklung weiterer Japan-Studien in Wien sehr interessiert. Für die japanische Bibliothek stellte er neuerdings die Summe Von 50.000 Jen zur Verfügung. Er hofft, in Zukunft wieder einmal mehr tun zu können.

Es sei noch erwähnt, daß die Interessen Oesterreichs, und darunter nicht zuletzt die wissenschaftlichen wie auch künstlerischen, in Japan von unserer dortigen Vertretung (Botschafter Dr. L e i t n e r und • Gesandtschaftssekretär Dr. M a j 1 a t, auch einmal Hörer am Institut für Völkerkunde) nach Kräften gepflegt und gefördert werden.

Auf dem Heimflug von Tokio nach Wien konnte ich in Indien Station machen, wo ieh vor 20 Jahren 14 Monate verweilte und unter verschiedenen Dschungelstämmen forschend tätig war. Ich verbrachte eine Woche in Bombay und Puna. In letztgenannter Stadt war ich von der Leitung des Nobili-Kollegs ersucht worden, einen meiner in Japan gehaltenen Vorträge zu wiederholen. Als besonders bemerkenswerte Tatsache konnte auch ich dann feststellen, daß namentlich in den großen Plätzen, wie Bombay, das Kastenwesen mehr und mehr zusammenbricht, daß hier auch die extremen Formen der Kuhverehrung im Verschwinden begriffen sind. Ich sah ganze Rinderherden, die zum Geschlachtetwerden in Bombay hineingetrieben wurden. Jeder Kenner weiß, daß mit Erscheinungen der genannten Art das neue Indien sich zu formen und zu gestalten beginnt. Allerdings darf man die Erwartungen nicht zu hoch spannen. Die Weiterentwicklung wird trotzdem, vor allem auf dem flachen Lande, Zeit brauchen. Immerhin kommen, auch von Indien aus gesehen, Ost und West einander deutlich näher, was sich zweifellos im Interesse für unsere Wissenschaft und gewiß auch andere Wissenschaften auswirken kann.

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