Der geschrumpfte Präsident

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Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy steckt in einem persönlichen und politischen Tief # die Süddeutsche Zeitung untersucht die Gründe dafür.

Die vielleicht originellste Attacke auf den Präsidenten kommt von Alpinisten. Die 15 Sarkozy-Gegner stellten jetzt auf einem Gletscher am Mont Blanc Delacroix# Gemälde #Die Freiheit führt das Volk# nach # ein Symbol der Republik. Marianne entblößte dabei in eisiger Höhe ihre Brüste und schwenkte, wie auf dem Bild, in der einen Hand eine Tricolore und in der anderen ein Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett. Man wolle so gegen Nicolas Sarkozy demonstrieren und von den Gipfeln aus die Republik zurückerobern, erklärte ein Bergführer.

Andere reiten gröbere Attacken, die manchmal an Verunglimpfung grenzen. Der britische Economist zeigt auf seinem aktuellen Titel eine schlanke, große Carla Bruni, hinter der ein Wicht mit hochhackigen Schuhen unter einem riesigen Napoleon-Hut herstolziert. Darüber steht: #Der unglaublich schrumpfende Präsident#. Die französische Presse ist keineswegs freundlicher. Der Nouvel Observateur zeigt Sarkozy jetzt unrasiert und in Schwarzweiß wie auf einem Fahndungsbild und titelt: #Ist dieser Mann gefährlich?# Die Zeitung Marianne bezeichnete den Staatschef als #Gauner der Republik#, das Magazin Le Point fragte: #Ist er so ein Versager?#

Feuer aus allen Richtungen

Man könnte an eine Kampagne denken, wenn das Feuer nicht aus verschiedenen Richtungen käme. Dabei wird neben seiner Politik auch seine Persönlichkeit angegangen, manchmal bis zur Häme. Sarkozys Sonderberater Henri Guaino sieht bereits die Zivilisation in Gefahr und fragt sich, #ob der Anti-Sarkozysmus verrückt macht#. Die Zeitung Le Parisien wundert sich: #Warum erregt Nicolas Sarkozy so viel Respektlosigkeit?#

Mittlerweile stürzen sich die französischen Analysten, Soziologen und Psychiater auf dieses Phänomen. Zwar ist es normal, dass ein Präsident nach den ersten Jahren seiner Amtszeit im Midterm Blues steckt. Die Verachtung aber, mit der Sarkozy derzeit begegnet wird, hat eine neue Qualität. Manche erklären dies damit, Journalisten neigten zum Bilderstürmen. Erst hätten sie Sarkozy zur Ikone gemacht, nun würde er demontiert.

Das Opfer der Zeit

Tiefer geht die Analyse des Psychiaters Serge Hefez. Er glaubt, die Zeit sei über Sarkozy hinweggegangen. Während seines Aufstiegs in wirtschaftlich guten Jahren propagierte die Gesellschaft den Typ des narzisstischen Erfolgsmenschen. Der ehrgeizige, zupackende, bisweilen rücksichtslose Sarkozy entsprach diesem Bild. Er wurde nie verehrt oder geliebt wie François Mitterrand und Jacques Chirac, aber es gelang ihm, sich seiner Partei und dem Volk aufzuzwingen. Sein Machtinstinkt und seine flamboyante Lebensweise zwischen Kaviar und Carla faszinierten. Heute, in der Krise, sei dieser Typus nicht mehr gefragt, meint Hefez.

Im Ausland dürfte ein anderes Motiv für den Anti-Sarkozysmus hinzukommen. Der Franzose ist in internationalen Krisen drängend, fordernd, ja arrogant aufgetreten. Er gerierte sich als Avantgarde und stellte andere als Nachhut hin. Auch hat Sarkozy mit seinem populistischen Feldzug gegen die Roma Frankreichs Bild als Musterland der Menschenrechte beeinträchtigt. Dem Präsidenten droht weiteres Ungemach. Am Mittwoch erscheint #Carla # ein geheimes Leben#, ein Buch der Journalistin Besma Lahouri. Darin wird Sarkozys Gattin als weiblicher Don Juan porträtiert und als #Amazone#, die vor allem um ihr Image besorgt sei. Die Première Dame ist demnach keine Marianne, und Lahouri glaubt: #Politisch wird sie für ihren Mann zur Last.#

* Süddeutsche Zeitung, 14. September 2010

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