Die Figur neu erfunden

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Der deutsche Bildhauer Stephan Balkenhol in Salzburg.

Ich glaube an die jungen, wartenden Menschenbilder und warte auf die nächsten", schloss Ulrich Rückriem, Meister der abstrakten Skulptur, die Laudatio für seinen Schüler Stephan Balkenhol zu dessen zweiter Ausstellung im Jahr 1985 in Darmstadt. Der 1957 im hessischen Fritzlar geborene Künstler hatte damals bereits seine Thematik gefunden. Dafür habe er "die Figur ja erst einmal wieder erfinden" müssen, erinnert sich der heute international renommierte deutsche Bildhauer - und dies gegen eine "eher nüchterne, verstandesmäßige und recht unsinnliche Kunst der 70er Jahre", die gegen die figürliche Skulptur positioniert war.

Aus sinnlicher Erfahrung

Die Wieder-Findung der Figur aus dem Geist der sinnlichen Erfahrung ist die Triebfeder für Stephan Balkenhols Schaffen, der sich immer wieder neu mit dem Menschenbild auseinandersetzt. Welche Intensität von seinen Werken ausgeht, vermittelt eine rund hundert Exponate umfassende Ausstellung, die das Museum der Moderne Salzburg in erweiterter Form aus Baden-Baden bzw. aus Duisburg als erste Museumsschau in Österreich übernehmen konnte. Im Zusammenspiel mit einer ausgezeichnet konzipierten Präsentation beweist das Haus am Mönchsberg einmal mehr seine architektonische Qualität.

Hier "warten" sie, anonyme Männer und Frauen, über-oder unterlebensgroß, Bildwerke u. a. aus Zedern-, Pappel-oder Wawaholz (Ghana). Es sind kraftvolle Gestalten, die die handwerklichen Spuren des Eisens wie ein haptisches Schutzschild tragen und die sparsam farbig gefasst sind mit meist schwarzen Hosen, weißen, roten oder blauen Hemden bzw. einfachen Trägerkleidern. Der Sockel ist stets Teil des Stammes, die Figur gleichsam verortet in einem Freiraum, der den Betrachter auf Distanz hält. Haltung, Blick und Gestus strahlen eine geheimnisvolle Ruhe aus, eine Aura der Zeitlosigkeit.

In Werkgruppen nehmen etwa zehn Tanzende Paare (1996-1999) Bezug aufeinander oder ist der Voyeur (2003) auf ein weibliches Bildnis ausgerichtet, eine Einzelfigur vor einem farbig gefassten Relief positioniert. Tierskulpturen, Mischwesen bzw. Figuratives in flachen Hochreliefs verweisen auf Balkenhols Affinität zur ägyptischen Kunst, besonders zur Sepulkralskulptur in ihrem "Eindruck von Transzendenz, Realität und Gegenwart - ja sie haben fast etwas Zeitgenössisches an sich" (Balkenhol im Katalog).

Alles narrativ Benennbare bleibt seinem Menschenbild fremd. Die Vielzahl der Porträts zeigt Individualität nur im Typus, nicht aber im Ausdruck, ist farbiges Erinnerungsbild, als Rundbild antike Formen assoziierend. Balkenhol schafft Bilder "gegen die Flut der Bildwelten, die uns umgeben", so sein Anliegen.

Bilder gegen die Bilderflut

Zu den eindrucksvollsten Werkgruppen gehört Hexagon und Fries (1988). Sechs unterschiedlich große Männergestalten gruppieren sich vor dem "Gewände" und auf der halbrund geschwungenen Basis des jeweiligen Stammes stehend zu einem mächtigen, nach oben hin "offenen" Pfeiler. Heilige, Märtyrer, Alltagsmenschen - jegliche Definition bleibt offen, denn der Betrachter selbst, so Balkenhol, mag seine Kenntnisse und Wahrnehmungen einbringen.

STEPHAN BALKENHOL

Museum der Moderne Salzburg

Mönchsberg 32, 5020 Salzburg

www.museumdermoderne.at

Bis 24. 6. Di-So 10-18, Mi 10-21 Uhr

Der umfangreiche Katalog kostet € 38,-

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